Ciao Mayer
Montblanc-Füller aus der Innentasche seiner Jacke und kritzelte und strich munter drauf los.
Massimo verließ das Büro, er wollte dem Gemetzel, dem sein Text nun unweigerlich zum Opfer fiel, nicht auch noch zuschauen müssen.
Pippo beackerte noch heftig den Computer, als Massimo bei ihm vorbeischaute. „Stress?“ fragte er.
Pippo nickte mit einem Lächeln, dass Massimo sofort klar wurde, wie verzweifelt Pippo gerade mit Worten kämpfte. Massimo verzog sich, spazierte zurück Richtung „Kommandozentrale“, wie der Chef sein Büro mit Vorliebe nannte. Im Vorzimmer saß die Sekretärin am offenen Fenster und rauchte. Die direkte Verbindungstür zum Büro ihres Bosses war zu. Sie hielt Massimo ihr Päckchen entgegen. „Willst du?“
Der dankte und schüttelte den Kopf, zog sein eigenes Päckchen aus der Jackentasche, zündete sich eine Zigarette an und sagte: „Ich bin markentreu, weißt du. Mir schmecken einfach keine anderen.“
Er zog den Rauch tief ein und atmete kräftig aus, bemüht, den Qualm dabei aus dem Fenster zu pusten. Er deutete auf die Tür zum Chefzimmer. „Und der da? Schreit der nicht gleich los, wenn hier geraucht wird?“
Sie hob lässig die Schultern. „Soll er! Ich habe ihm schon ein paar Mal gesagt, ich könnte gerne für jede Zigarette runter gehen, in den Hof. Dann müsste er aber die Telefone bedienen. Dann schnauft er grimmig und gibt ein Weilchen Ruhe.“
Die Frau gefiel Massimo. Sie war schlank, hatte einen gut geformten, nicht zu üppigen Busen, etwas Po, kurze schwarze Haare, dunkle Augen und vor allen Dingen eine kräftige Portion Selbstbewusstsein. Sie ließ sich vom Chef nichts gefallen. Die Redakteure kuschten, wenn es ernst wurde. Sie nicht. Er hätte gerne mit ihr etwas angefangen. Aber, keine Chance: Sie war verheiratet und zeigte stolz die Fotos ihres Göttergatten herum. Ein kleines, dünnes Nichts, fand Massimo. Aber das änderte nichts an der für ihn aussichtslosen Lage.
Die Tür flog auf, der Chef kam angestürmt. Die Zigarettenkippen waren schon zwei Minuten zuvor auf dem Fenstersims ausgedrückt worden und dann in den Innenhof geflogen. Trotzdem schnüffelte der Chef. „Hat hier wieder jemand geraucht?“ Er blickte seine Sekretärin und Massimo traurig an. „Kinder, das Rauchverbot ist Gesetz. Das habe ich mir doch nicht ausgedacht. Aber bitte, hier macht ja doch jeder, was er will.“ Er fixierte Massimo: „Ich hab' deinen Text fertig. Er ist immer noch nicht Pulitzerpreis-verdächtig, aber so kann man ihn drucken. Es ist halt viel Gelaber, Mayer. Du solltest es mal mit mehr Fakten versuchen. Fakten sind das Salz in jeder journalistischen Suppe, Mayer, merk' dir das! Und...“ Er trat ganz nahe an seinen Reporter und befummelte dessen Hemd, „wieso ist dein Hemd denn so verschmiert? Wechselst du das nicht wenigstens ab und zu? Weißt du, du musst daran denken, dass du unser Blatt vertrittst, wo immer du auftauchst. Unser Blatt ist seriös, also müssen die Mitarbeiter das ebenso sein. Das heißt, sie müssen sich und ihre Hemden ab und zu waschen. Auf deinem Hemd lässt sich dein Speiseplan der letzten vierzehn Tage ablesen. So geht das nicht, Mayer!“ Er schüttelte missmutig den Kopf und verschwand in seinem Büro.
„So geht das nicht, Mayer!“ machte die Sekretärin den Tonfall des Chefs nach.
Aber Massimo fand das nur begrenzt komisch. „Ciao“, sagte er und ging.
Unten vor der Tür, wo er das Leih-Moped an der Mauer abgestellt und sogar mit einer dicken Kette gesichert hatte, klingelte sein Handy.
„Pronto?“
Benedetto. Er hatte bei dessen Mutter die Bitte um Rückruf hinterlassen.
„Ciao Benedetto, danke, dass du mich anrufst. Sag': Wo finde ich die Typen von der Magliana-Bande? Du weißt schon, die mit den großen Hunden.“
„Was willst du denn von denen?“ Benedetto klang ernsthaft besorgt. „Die Typen sind wirklich nicht spaßig.“
„Ich will sie mir doch nur mal anschauen, vor allem ihre Hunde.“
„Die Köter sind noch weniger witzig. Massimo lass dich nicht mit denen ein! Ich hatte mal Ärger mit ihnen und...“
„Ich weiß“, unterbrach ihn Massimo, der keine Lust auf ein längeres Gespräch hatte, „du hast es mir erzählt. Sag', es gibt doch bestimmt eine Bar, wo die abends normalerweise rumhängen.“
„Na ja da gibt's schon mehrere“, zögerte Benedetto. Er begann eine umständliche Erklärung über die Struktur der Organisation, von den Bossen, ganz oben, die man nie sah, die sich in ihren Villen in Rom
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