Ciao Mayer
‚Oggi’ oder in sonst irgendeinem dieser Herz-Schmerz-Blätter lesen, wie ein Mann abends zu seiner Frau sagt, 'gehe noch mal mit dem Hund raus'. Und wenn sie zwei, drei Stunden später vor die Tür schaut, weil er nicht wiederkommt, ist der Hund am Laternenpfahl oder Gartenzaun angebunden und der Mann ist weg. Für immer. Und dabei geht es um Italiener, Mama, Italiener, nicht Deutsche.“
"Mmmh." Sie grummelte, goss Kaffee nach.
Er kaute.
Beide schwiegen einen Moment.
In Massimo keimte schon Hoffnung auf, die Vorhaltungen hätten damit ein Ende. Aber er wurde enttäuscht.
Mama hatte noch einen Punkt auf ihrer Liste.
„Was ist mit der Vespa?“ fragte sie unvermittelt.
Massimo stockte. „Äh, was soll mit ihr sein, was meinst du?“
„Willst du mich jetzt für blöd verkaufen? Wieso bist du mit einem fremden Motorino gekommen und nicht mit deinem?“
Massimo schluckte den Rest des Brot-Schinken-Kaffee-Gemisches in seinem Mund runter. Woher wusste seine Mutter das schon wieder? Die Fenster ihrer Wohnung gingen nach vorne raus, er parkte hinten.
„Was ist jetzt?“ unterbrach sie seinen Gedankengang, „du wunderst dich, dass deine Mama auch das schon wieder weiß. Tja, mein Junge...“
„Woher weißt du es, wenn ich fragen darf, nur aus Neugierde?“
„Von Signora Rimini natürlich. Sie hat dich heute Nacht gesehen, als du direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster deinen Roller malträtiert hast...“
„Ich war ganz leise“, warf Massimo schüchtern ein.
„Von wegen, du hast drei- oder viermal den Anlasser gedrückt, als du das Ding ausmachen wolltest...“
„Aber Mama...“
„Streite es besser nicht ab! Du warst betrunken und Signora Rimini ist die Witwe eines Motorino-Händlers. Sie ist vom Fach, sie weiß, was sie sagt. Heute morgen, auf dem Weg zum Bäcker, habe ich sie getroffen, und sie hat mich gefragt, wieso du jetzt so eine alte Karre hast, wo deine schöne Vespa ist?“
„Aha“, seufzte Massimo.
„Was heißt ‚aha’? Was ist mit deiner Vespa?“
„Geklaut.“
Massimo berichtete von seinem Besuch im Polizeipräsidium und dessen unglücklichen Ausgang.
„Du brauchst einen neuen Roller!“ beschloss Mama.
„Klar“, sagte Massimo, „aber sie haben wochenlange Lieferfristen. Was aber gar nicht so schlecht ist, denn ich bin im Moment in den Miesen. Ich muss das nächste oder übernächste Gehalt abwarten.“
„Ich zahle die Hälfte!“ sagte Mama und begann, den Tisch abzuräumen.
„Nein, das will ich nicht“, protestierte Massimo, während Tasse und Teller vor ihm abgeräumt wurden. Dabei wartete auf dem Teller noch eine herrliche Scheibe San Daniele-Schinken. „Wirklich nicht. Es ist lieb von dir, Mama. Aber soviel hast du auch nicht, dass du mir dauernd was schenken kannst. Und außerdem muss ich selber klarkommen, mit dem was ich verdiene.“
„Wie willst du das machen?“ raunzte Mama mit dem Rücken zu ihm und mit dem Kopf halb im Kühlschrank, in dem sie jetzt all die Kostbarkeiten verstaute, die Massimo in der plötzlichen Eile entgangen waren. „Du bist genauso lebensuntüchtig wie dein Vater! Immer große Töne spucken, immer andere aushalten, die teuersten Weine trinken...“
„Mama!“
„Ist ja schon gut. Ist ja auch liebenswert auf eine Art.“ Sie machte eine kleine Pause. „Aber vernünftig ist es nicht! So, und nun ab Massimo, zur Arbeit! Leg' dich mal ein bisschen ins Zeug, das kann deiner Karriere nicht schaden. Ohne Fleiß...“
Massimo fiel ihr uns Wort „...kein Preis, ich weiß, Mama“.
„Genau“, sagte sie. „Ein altes römisches Sprichwort!“
„Nein Mama, ein deutsches Sprichwort!“
„Ach“, sagte sie spitz, „und warum hältst du dich dann nicht dran?“
Massimo winkte ab, sagte „Ciao Mama“ und ging.
Mit nur knapp dreißig Minuten Verspätung betrat er die Bar, gegenüber dem Polizeigebäude, bestellte einen Kaffee und wartete. Am liebsten wäre er nach hause gegangen und hätte sich wieder ins Bett gelegt. Was sollte ein Tag bringen, der so begonnen hatte? Die Tiraden seiner Mutter nervten zunehmend. Klar, sie meinte es gut. Sie wollte ihm sogar die Hälfte zum Kauf eines neuen Mopeds schenken. Lieb, klar! Natürlich würde er das Geld nehmen. Er musste es nehmen! Um seine Finanzen stand es viel schlimmer, als er zugegeben hatte. Zugleich fand er es würdelos, sich Geld von der Mutter schenken lassen zu müssen. Wofür arbeitete er denn? Weil dieses Scheiß-Rom so scheiß-teuer war und sein Scheiß-Chef ihm so
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