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Ciao Mayer

Ciao Mayer

Titel: Ciao Mayer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Jürgen Schlamp
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trat.
    D&G-Sonnenbrille, safari-beiges Kostüm mit sehr kurzem Rock, lange, lockige blonde Haare. „Hier finde ich Sie, Signor Mayer“, sagte sie und blickte dann Roberto an, „kennst du ihn, weißt du, dass er ein ausgesprochen guter Journalist ist?“
    Roberto erhob sich. „Ja, ja, weiß ich“, sagte er, „er ist ein Freund von mir.“
    „Ach“, erwiderte sie spitz, „dann hast du mit einem Freund gesprochen, nicht mit einem Vertreter der Presse. Gut, das andere wäre ja auch verboten, wie du weißt.“
    Sie drehte sich zu Massimo. „Unser Präsident hat heute Morgen alle hier im Verein, und er sagte ausdrücklich: alle, gebeten, die Kontakte zur Presse allein ihm und seiner Pressestelle zu überlassen. Es hat ja auch wirklich keinen Sinn, wenn hier jeder rumgackert wie in einem Hühnerstall, das bringt ja auch Ihnen nichts, Signor Mayer, nicht wahr?“
    Sie fasste ihn leicht am Arm und zog ihn einen Schritt mit. „Gehen wir in mein Büro, da können wir in Ruhe reden.“ Und mit einer nur angedeuteten Kopfdrehung zu Roberto, fügte sie an: „Ciao Roberto, wir sehen uns.“
    „Ciao“, sagte Massimo, befreite sich aus ihrem Griff und streckte Roberto die Hand entgegen.
    Der schüttelte sie. „Ciao, es war schön, dich wieder zutreffen. Ruf mich doch einfach mal an, auf einen Kaffee oder so!“
    Massimo versprach es und ergab sich dann wieder dem leisen Druck der weiblichen Hand auf seinem Arm, die ihn aus der Kantine lotste.
    „Fragen Sie!“ lud Signora De Francesca ihn ein, als sie ihr Büro erreicht hatten, setzte sich mit elegantem Schwung auf eine beige-blaue Couch vor der ein flacher Stahl-Glas-Tisch stand und strich ihr Röckchen glatt.
    Massimo ließ sich vorsichtig auf einem winzigen Stühlchen nieder, auch das beige-blau. Er sorgte sich, dass sein Gewicht eventuell die für das Möbelchen zulässige Höchstbelastung überschreiten könnte und fragte artig nach den vereinsinternen Erkenntnissen zum Fall Motti. Sie antwortete - sagte aber nichts.
    Nein, er war nie auffällig geworden, der kleine Motti, ein angenehmer Junge, bescheiden, höflich. Mit protzigen Autos in seinem Viertel herumgefahren? Nie gehört. Aber, sie setzte ein arrogantes Lächeln auf, „wissen Sie, hier bei uns wird sehr, sehr viel Geld verdient. Auch ein junger Mann wie Motti, auch wenn er natürlich deutlich weniger bekommt als manch anderer, hat ein Gehalt...“
    „Hatte“, sagte Massimo.
    „Wie?“ sie verstand nicht.
    „Er hatte ein Gehalt“, sagte Massimo, „er ist tot.“
    „Oh ja, ja natürlich, entschuldigen Sie“, der Fehler war ihr offensichtlich peinlich, aber sie bekam sich innerhalb weniger Sekunden wieder in den Griff.
    „Ja, ich glaube, wir haben es hier im Verein alle noch nicht wirklich begriffen, wir haben es gehört, gelesen, klar, aber es ist noch nicht im Bewusstsein angekommen. Was ich sagen wollte, war, auch ein junger Spieler wie Motti verdiente bei uns das Zehn- oder Zwanzig- oder auch Fünfzigfache dessen, was seine Freunde in seinem Viertel verdienen oder seine Eltern oder auch“, sie lächelte besonders süß, „Journalisten. Und, wenn Sie das bedenken, was heißt dann schon, mit einem, wie sagten Sie, ‚protzigen’ Auto herumzufahren? Auch wenn es so gewesen sein sollte, was ich nicht weiß, sollten Sie keine falschen Schlüsse daraus ziehen.“
    Massimo konnte auch keine richtigen Schlüsse ziehen. Die Pressesprecherin sagte ja nichts Erhellendes. Der Verein war untröstlich, ansonsten war alles in Ordnung. Ein Mord, schrecklich, schade um den viel versprechenden Spieler, aber damit basta. Mehr war nicht, ist nicht, wird nicht sein.

    *

    In Gedanken vertieft, übersah Massimo das tiefe, ausgedehnte Loch in der Straße, gerade als die Via Laurentina sich, leicht ansteigend, der Via Cristofero Colombo näherte. Sein Vorderrad knallte genau hinein, stoppte abrupt, das Moped drehte sich, rutschte schräg rückwärts aus dem Loch heraus, blieb am Bordstein hängen und fiel auf die Seite, Massimo unter sich.
    „So ein Scheiße! Diese gottverdammten römischen Straßen!“ brüllte er und zog sich vorsichtig unter seiner Vespa vor. „Dieser Scheiß-Bürgermeister kümmert sich um jeden Scheiß, nur nicht um seine Scheiß-Straßen! Die bestehen ja überhaupt nur aus Löchern!“
    Er schrie, so laut er konnte, als ob er die Insassen der vorbeifahrenden Autos erreichen wollte, sie zur Anteilnahme zwingen oder wenigstens zur Aufmerksamkeit. Aber sein Gebrüll erreichte niemanden.

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