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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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ihren Namen zu nennen, die Polizei.
    Voller Hass und entgegen ihren Vorsätzen zapfte sie ihre Sinne an und folgte seinem Geruch. Sie wusste, dass sie ihm dicht auf den Fersen folgte, und sie plante, nicht eher zu ruhen, bis sie ihn gefunden hatte, egal wie gut er sich tarnte oder seinen Gestank mit frischem Blut überdeckte.
    Dabei spürte sie auch die Nähe von Paul und Mike, die nach ihr suchten. Doch sie wollte deren Unterstützung nicht. Das hier war ihr Job. Sie musste den Mann töten. Sie allein.
     
    Stunden rannte sie durch die Stadt, dem eisenhaltigen Gestank von Blut und bösem Zynismus folgend, vermischt mit einem Hauch von süßem Schweiß und bitterem Tod. Jetzt roch sie ihn so stark, als trüge sie ihn in ihrem Rucksack mit sich, wie ein verfaultes Stück Fleisch. Sie spürte seine Arme, die ihren Körper fest umschlungen hielten und ihr die Luft aus den Lungen pressten. Ciara hustete, schaute nach allen Seiten, doch die einzigen Menschen auf dem Bürgersteig waren eine alte Frau, die leicht nach vorne gebeugt und sich auf einen Schirm stützend über den Schnee stolperte, und ein kleines Mädchen, das seinen Dackel von einer achtlos weggeworfenen Schachtel mit den Resten einer Currywurst wegzog.
    Vorsichtig schlich Ciara weiter, näherte sich dem penetranten Gestank, den sie wohl den Rest ihres Lebens nicht mehr vergessen können würde. Erschrocken schrie sie auf, als ein Mann aus einer der Haustüren trat und sich ihr in den Weg stellte.
    Ihr Herz raste, aufsteigender Schwindel zwang sie, sich an eine Hauswand zu lehnen.
    Der ältere Herr lächelte sie freundlich an: »Habe ich Sie erschreckt, junges Fräulein?« Ciara nickte, brachte aber kein Wort heraus.
    »Dann nehmen Sie bitte meine Entschuldigung an.« Er tippte an die Krempe seines Hutes und deutete eine Verbeugung an. »Suchen Sie jemanden?«
    Zuerst nickte Ciara, schüttelte dann aber den Kopf. Der Mann lüftete seinen Hut, verabschiedete sich und spazierte an Ciara vorbei, die hinter ihm herstarrte. Allmählich beruhigte sie sich. Ihr Vorhaben erschien ihr verrückter, als
er
es sein musste. Aber etwas in ihr drängte sie, den Weg fortzusetzen.
    Als sie diesmal nach vorne blickte, blieb ihr der Schrei im Halse stecken, ihre Atmung setzte aus, ihr Herz wollte aufhören zu schlagen.
    Unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze erkannte Ciara lediglich das kantige Kinn, in dem sich mittig ein tropfenförmiges Grübchen abzeichnete. Der bodenlange, dunkle Lodenmantel – mit dem
er
sich fast unbemerkt durch die Nacht und bei dieser Witterung auch den Tag bewegte – verhüllte den Körper vollständig. Seine Hände mit ungewöhnlich feingliedrigen Fingern schnellten blitzartig daraus hervor. Mit der einen packte er sie an den Haaren, mit der anderen hielt er ihr den Mund zu und zerrte sie so schnell durch die geöffnete Tür in den Hauseingang und weiter in einen Heizungskeller, dass sie nicht in der Lage war, sich zur Wehr zu setzen. Genau so wie in der Nacht ihres Geburtstags. Genau so.
     
    »Du brauchst etwas gegen deine Schmerzen«, erkannte Paul.
    »Leider liegt das Krankenhaus in der anderen Richtung und rezeptfreie Aspirin helfen nicht mehr.«
    Längst hatte der Morgen die Nacht abgelöst, während sie auf der Suche nach Ciara durch die Stadt kurvten.
    »Ich hab noch Blankorezepte in meiner Jackentasche. Irgendwann hab ich sie mal aus Versehen da reingesteckt und nicht mehr weggelegt.«
    »Aus Versehen? Klar!«, meinte Mike, lenkte den Wagen mit der einen Hand vorsichtig auf einen Parkplatz und bremste.
    Er glaubte, niemals zuvor unter solchen Qualen gelitten zu haben, dennoch war es ihm gelungen, Paul auf den Beifahrersitz zu schieben und nach einer längeren Erholungspause den Wagen zu chauffieren. Die Vorstellung, ein starkes Sedativum zu bekommen, klang verlockend.
    »Wo ist der Block?«
    »In einer der Taschen.«
    Mike begann einhändig, in Pauls Jackentaschen nach dem Rezeptblock zu suchen. »Das kommt alles raus, das ist dir klar, oder?«
    »Erst am Ende des Quartals, und bis dahin können wir uns noch eine gute Ausrede einfallen lassen oder verschwinden.« Paul grinste.
    »Du brauchst noch Blut, oder?«
    »Ja, aber das Geronnene geht erst mal noch.«
    »Durch ’ne Kanüle läuft da aber nichts mehr.« Mike zog die Augenbrauen ein Stück nach unten und bedachte Paul mit einem angewiderten Gesichtsausdruck.
    »Schau nicht so pikiert! Ich brauche es zum Leben, und darum nehme ich es so, wie ich es kriegen kann. Besser als

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