Ciara
Augenwinkeln nahm Paul wahr, dass sich Mike aufsetzte. Er wollte ihm zurufen, er solle verschwinden, aber Fear umkreiste ihn wie ein Raubtier – er musste wachsam sein.
Als stünden sie im Boxring und warteten auf den Beginn des Kampfes, starrten sie sich grimmig an. Erst als die Spannung unerträglich wurde, ertönte der fiktive Gong: Paul spürte Hitze in seinem Gehirn, wie Lava, die sich in seinem Kopf ausbreitete und durch jede Gehirnwindung schlängelte. Fear versuchte, Paul auf mentaler Ebene zu schlagen. Auf diese Form des Kampfes nicht vorbereitet, hielt Paul instinktiv seine Hände vor das Gesicht und presste zwischen den Zähnen hindurch: »Nur so kannst du dich wehren?« Rasch erholte er sich von der Attacke und vollführte eine Drehung um die eigene Achse, holte mit gestrecktem Bein Schwung und rammte Fear den Fuß in den Magen. »Kämpfe wie ein Mann, nicht wie ein Telepath.«
Doch Fears Stärken lagen anscheinend darin, dem Gegner Qualen ins Gehirn zu projizieren. Paul wusste sich nicht dagegen zu schützen. Längst war er nicht mehr so geübt, wie Fear es zu sein schien, und so musste er dessen Angriffe über sich ergehen lassen, die ihn niemals töten, aber schwächen würden. So weit durfte er es nicht kommen lassen, dann erhielte Fear die Chance, die eigentlich Paul ergreifen wollte – die Übernahme des anderen.
Paul zuckte und stöhnte vor Qualen. Eine Idee manifestierte sich in seinem Hirn. Er versenkte seine Gabe in einem tiefen Krater seiner Seele und verschloss all die ihm verliehenen überzähligen Sinne. Es verwunderte ihn selbst, dass er Fears Attacken nun kaum noch wahrnahm.
Rasend vor Wut stürzte sich Fear mit seinem gesamten Körpergewicht auf Paul, der blitzschnell auswich. Fear stürmte ins Leere und landete mit dem Bauch voran auf dem schneebedeckten Boden, dicht neben Mike.
Ohne diesen zu beachten, schnellte Fear wieder empor und sprintete mit einem wütenden Schrei auf Paul zu. Der Versuch, Fear ein weiteres Mal mit einem Ausfallschritt in Verlegenheit zu bringen, ließ Paul auf dem rutschigen Boden straucheln. Fear packte ihn am Kragen, nahm ihn in den Schwitzkasten und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Wenn er noch länger wartete, würde Fear ihm die Nase brechen. Er schmeckte Blut. Seine Lippe war aufgeplatzt. Mit Wucht hieb Paul seinen Ellbogen in Fears Bauch. Keuchend lockerte der seinen Griff, was Paul als Gelegenheit nahm, sich zu befreien. Aber Fear wartete nicht lange, warf sich auf Paul und brachte ihn zu Fall. Schmerz durchzuckte Pauls Körper, als sein Hinterkopf auf dem Asphalt aufschlug. Sie wälzten sich auf dem Boden. Paul roch Atem, der nach Verwesung stank. Dann hockte Fear auf ihm, seine Hände unter den Knien eingeklemmt. Paul atmete hektisch, den Mund leicht geöffnet, um seine Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Ein weiteres Mal hieb Ciaras Peiniger ihm ins Gesicht. Doch er spürte den Schmerz kaum.
Verzweifelt versuchte Paul, seinen Gegner abzuwerfen, aber der musste über hundert Kilo wiegen. Langsam näherte sich Fears Gesicht. Er ahnte, was als Nächstes geschehen sollte, aber so sah sein Plan nicht aus. Das durfte niemals passieren. »Mike, hilf mir!«
Paul starrte in Fears Mund, der ihm nun wie ein Schlund erschien. Wie tief war er gesunken, dass er sich von ihm überwältigen ließ? Doch jede Bewegung schien zwecklos, seine Finger würden brechen oder seine Hoden zerquetscht werden. Aber das erschien ihm in diesem Moment, als sich fremde Lippen auf die seinen drückten, nebensächlich, und so zog er beide Knie an und drückte sie mit so viel Kraft, wie es ihm in dieser Position möglich war, in Fears Rücken. Pauls Schmerzensschreie verhallten in Fears Mundhöhle, der erregt aufstöhnte. Als Paul seine eigenen Tränen spürte und glaubte, die Qualen, die durch seine Genitalien zuckten, nicht länger ertragen zu können, hörte er neben sich einen Aufschrei. Aus den Augenwinkeln sah er Mike, der an der Kopfbedeckung seines Gegners zerrte. Doch es gelang ihm nicht, Fear fortzubewegen, lediglich die Kapuze rutschte von dessen Gesicht.
Augenblicklich verschwand das erdrückende Gewicht von Pauls Brust. Erschöpft blieb er am Boden liegen und starrte in die roten Augen des Mannes. Fear zog die Kapuze über seine deformierte Glatze, die dem Kopf eines Sterbenskranken ähnelte, aus dem ein Gehirntumor wucherte. Obwohl er Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren, gelang es Paul, die Überraschung auszunutzen und in den Gedanken seines
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