Ciara
Hause, da seid ihr am sichersten.«
»Woher willst du das wissen?«
»Es gibt Dinge, die weiß ich nun mal. Vertrau mir!«
Sie schwiegen, dann fragte Mike: »Du bringst uns dahin, und was machst du?«
»Ich fahre ins Krankenhaus und besorge Blutkonserven. Anders können wir ihr nicht helfen.«
»Pass auf, dass dich keiner sieht!«
»Warum?«
»Dein Gesicht: rot, blau, violett. Farbecht.« Mike grinste.
Vorsichtig lenkte Paul den Wagen durch das dichter werdende Schneetreiben, dicke Flocken sogen das Licht der Scheinwerfer auf. Obwohl Paul die Scheibenwischer auf die schnellste Stufe stellte, schafften sie es nicht, die Windschutzscheibe auf Dauer vollständig vom Schnee zu befreien.
»Wie geht es ihr?«
Nur mühsam konnte sich Mike nach hinten drehen. »Unverändert. Sie wirkt wie tot.«
»Es ist ein todesähnlicher Zustand, in dem sie sich jetzt befindet. Wie ein künstliches Koma, aus dem sie erst erwacht, sobald ihr jemand genügend Vollblut zuführt.«
»Gruselig.« Mike schauderte. »Hast du das schon mal erlebt?«
»Nein. Das Erwachen muss furchtbar sein.«
»Dann steht uns ja noch etwas bevor.«
»Umso länger sie in dieser Verfassung ist, desto schlimmer wird es.«
»Kennst du noch andere von eurer Sorte?«, erkundigte sich Mike und gähnte lautstark.
Paul antwortete nicht sofort, doch als er schließlich sprach, hatte sich der Ton seiner Stimme verändert. Er sprach langsamer und eine Stimmlage tiefer: »Ich habe vor Ciara und Fear keine getroffen. Manchmal habe ich ihre mentale Nähe gespürt, aber sie gesehen – nein, niemals. Wir würden nie in Gruppen zusammenleben oder in einer Beziehung. Die Gefahr wäre zu groß, dass sich der stärkere Partner eines Tages seine Kraft zunutze macht und das Vertrauen des anderen missbraucht. Und wer gibt schon aus Liebe sein Leben, um seelenlos und ohne Wissen oder Weisheit zu sterben?«
Darauf wusste Mike keine Antwort. Er streichelte das Frettchen, das auf seinem Schoß schlief, gab sich seiner körperlichen Erschöpfung hin und schloss die Augen. Erst als ihm der Geruch von Fast Food in die Nase stieg, blinzelte er verschlafen und schaute zu Paul, der in einen Hot Dog biss.
»Ich hab dir was zu essen mitgebracht«, sagte er kauend und zeigte auf eine Tüte, die vor Mike auf der Ablage lag. »Soll ich dir den Salat-Döner auspacken?«
Mike nickte und bemerkte erst jetzt, wie hungrig er war.
Der Sturm hatte sich gelegt, jetzt rieselte spitzer Graupel senkrecht vom Nachthimmel. Nach über einer Stunde erreichten sie endlich ihr Ziel.
Paul trug Ciara ins Haus, legte sie sachte auf ihr Bett und zog ihr die Jacke aus. Bevor er ging, bat er Mike eindringlich, Ciara nicht aus den Augen zu lassen.
Trotz der großen Menge Kohlenhydrate, die Paul zu sich genommen hatte, bemerkte er, dass sich seine telepathische Sensibilität empfindlicher zeigte, als es ihm in der derzeitigen Situation lieb war.
Auf dem Flur, der in den Raum mit den Blutkonserven führte, traf Paul auf Stephan, der ihn so verwirrt anstarrte, als sähe er ein Gespenst vor sich. »Paul! Was machst du hier, ich dachte, du hast Urlaub?«
Paul räusperte sich und log: »Ich wollte mal nach dem Labortypen schauen.«
»Um diese Zeit?«
»Ich konnte nicht schlafen – der Schichtrhythmus, kennst du ja.«
»Und was machst du dann hier unten? Glaubst du, er arbeitet schon wieder?« Stephan lachte.
Bevor Paul sich eine Ausrede einfallen lassen konnte, erkundigte sich Stephan nach den Blessuren: »Bist du dem gleichen Typen begegnet wie Mike? Wo steckt der übrigens? Mich hat heute Abend die Ambulanz angerufen, dass er den Kontrolltermin nicht wahrgenommen hat.«
»Keine Ahnung. Macht er vielleicht selbst.« Paul zuckte mit den Achseln.
»Schau doch mal bei ihm vorbei, wenn du nach Hause fährst. Ist dein privates Problem geklärt?«
»Noch nicht wirklich.«
»Verstehe. Ich will auch nicht weiter fragen. Aber du weißt ja, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du Hilfe brauchst.«
»Ich weiß. Danke.«
Der Kampf hatte Paul stark ausgelaugt und die zuvor aufgenommenen Kohlenhydrate reichten nicht aus, um das Loch in seinem Stoffwechselhaushalt zu stopfen. Mit zittriger Hand fuhr er sich durch die Haare. Er spürte Schweiß auf der Handfläche und merkte, dass sich auch erste Perlen auf seiner Stirn bildeten.
»Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir?« Die Stimme seines Chefs drang nun lauter an sein Trommelfell. Paul schaute ihn an. »Doch, mir geht es gut. Ich schwitze
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