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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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zehn, schickte ein Stoßgebet gen Himmel, alles möge in Ordnung sein, und schaute wieder auf: keine Veränderung, wäre ja auch zu schön gewesen. So nahm er die Brille ab, säuberte sie unter fließendem Wasser und legte sie zur Seite. Er ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und schaufelte es sich ins Gesicht, zog sich anschließend das Gummi heraus, das seine Haare zusammenhielt, steckte es in die Hosentasche und wusch sich unter dem laufenden Wasserstrahl mit flüssiger Seife seine schwarzen Haare. Anschließend kämmte er sich, so gut es ging, mit den Fingern. Als er sich die Brille aufsetzte, lächelte er seinem Spiegelbild gequält zu, fuhr sich mit einer Hand über die Bartstoppeln und dachte an den Rasierapparat, der in seiner Tasche lag, die zusammen mit Paul verschwunden war.
    Er wünschte sich auf sein Bike, das hoffentlich unversehrt in der Garage auf ihn wartete, sehnte sich danach, damit Richtung Süden zu flüchten, heraus aus dem Schlamassel, in den ihn Paul und seine eigene Neugier gebracht hatten.
    Mike verfluchte sich innerlich, verdrängte dann das Selbstmitleid und begab sich auf die Suche nach Ciara.
     
    Verpackungsmaterial von Cornflakes, Toastbrot, Kräckern und Käse, leere Kekstüten und Schokoladenpapier übersäten den Boden. Achtlos weggeworfene, halb geleerte Tetrapacks klebten in Orangensaft- und Milchlachen. Ciara plünderte Kühlschrank und Küchenschränke und fraß ihre eigenen Vorräte in den Mengen einer Esssüchtigen.
    Die im Chaos versinkende Küche erinnerte Mike an seine eigene – nachdem ein Unbekannter sie durchwühlt hatte. Zum ersten Mal kam ihm der Verdacht, dass dieser Fremde an demselben Phänomen wie Paul und Ciara litt und es sich nicht um Birgits verprellten, eifersüchtigen Exliebhaber handelte. Oder war es die Sucht, die sie miteinander teilten und die sie, abgestimmt auf ihre individuellen Bedürfnisse, stillen mussten? Bei Ciara die Sucht nach Nahrung, bei Birgits Ex die Sucht nach Vergeltung. Mike schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Vorsichtig schritt er tiefer in den Raum, immer auf der Hut vor einem Angriff seines wahnsinnig gewordenen Schützlings. Es schepperte, dann stand Ciara auf, die auf dem Boden an einem der unteren Schränke gehockt hatte, und drehte sich – den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, als leide sie unter einem Hexenschuss – zu ihm um. Der Ausdruck in ihren Augen wirkte verstört, Essensreste klebten an Mundwinkel und Kinn. In diesem kurzen Augenblick wusste Mike, was Paul gemeint hatte, als er sagte, sie sei etwas Besonderes. Sein Herz schlug schneller und ein sanft schnurrender Motor begann in seinem Bauch zu vibrieren, dort, wo Wissenschaftler das zweite Gehirn vermuteten, das für Gefühl und Intuition zuständig sein soll.
    Ciara straffte ihre Körperhaltung, wischte sich die Essensreste mit einem Handrücken vom Mund und kam auf Mike zu. Dabei schwang sie ihre Hüften, als trüge sie hohe Absätze. Ihr langes Haar schleuderte sie mit einer lässigen Handbewegung auf den Rücken, ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich unter dem schwarzen Pullover ab. Sie musterte Mike wie ein gieriges Raubtier und leckte sich über die Lippen, als stünde nun der Nachtisch auf dem Speiseplan.
    »Ich schmecke nicht«, hörte sich Mike sagen und wusste nicht, ob er flüchten, schreien, mit der gesunden Hand einen Abwehrversuch starten oder sich ihr hingeben sollte.
    »Oh, das glaube ich doch«, gurrte Ciara, schlang ihre Arme um seinen Hals, ein Bein um seine Hüfte und drängte sich fest an ihn.
     
    »Blut. Hörst du, ich brauche Blut.« Mit der wenigen Kraft, die ihm blieb, klammerte sich Paul an Stephans Arm fest.
    »Paul, mach dir keine Sorgen. Lass uns die Ergebnisse des Bluttests abwarten. Was du auch hast, du bist hier bei den Kollegen in besten Händen«, versuchte Stephan, ihn zu beruhigen.
    »Nein. Ich brauche Blut. Bitte. Nur Blut.«
    Paul spürte Stephans Hand auf seiner Stirn und war nicht überrascht, als er daraufhin nach der Schwester klingelte. Sein Fieber musste über vierzig Grad liegen.
    Als sich die Tür öffnete und die Intensivschwester mit einer Flut von künstlichem Licht den Raum betrat, jaulte Paul gequält auf und drehte den Kopf zur Seite. Obwohl die beiden sich nur gedämpft unterhielten, vernahm er deren Gespräch, als schrien sie sich an. Er presste instinktiv die Handflächen auf die Ohren.
    Doch auch die dritte Stimme, die nun dazwischenredete, kreischte zu laut. Endlich polterten die

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