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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Personen aus dem Raum. Jetzt nagte nur noch das penetrante Piepsen des Überwachungsmonitors an seinen Nerven, das Pulsieren seines Herzschlages und das Rauschen seines Blutes klangen vertraut, nur zu laut, viel zu laut und aggressiv. So wie damals, bevor er die Kuppe seines kleinen Fingers verloren hatte.
     
    »Ist dir bei Paul in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen?« Hendrik Martens, der Chefarzt der Intensivstation, erkundigte sich bei Stephan.
    »Nein. Auf was willst du hinaus?«
    »Nun, wir haben die Ergebnisse.«
    Stephan registrierte das lästige Ticken in seinem Augenlid, das ihn in Stresssituationen nervte, als Hendrik nicht sofort weitersprach. »Ja, und?«
    »Sie weisen auf eine neue, komplexe und noch unbekannte Art des Xeroderma pigmentosum hin.«
    »Das ist unmöglich!«
    »Leider ist das noch nicht alles: Paul scheint auch an einer noch selteneren Form der Blutanämie zu leiden. Seine Werte weichen in allen Bereichen von der Norm ab. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen.«
    »Überprüft die Werte noch einmal!«
    »Das werden wir, aber die Ergebnisse sind eindeutig.«
    »Hendrik, überleg doch, wie soll er an XP leiden, ohne es bemerkt zu haben?«
    »Komm mal mit.« Hendrik bat Stephan in sein Büro und schloss die Tür, damit sie ungestört blieben.
    »Setz dich. Kaffee?«
    Stephan nahm in einem der braunen Ledersessel Platz, lehnte den Kaffee jedoch ab. Seine Unruhe stieg auch ohne Koffein an. »Gut. Nun, ich rede nicht lange um den heißen Brei herum: Paul hat Einstiche an den Armen und Händen, vernarbte und frische.«
    »Drogen?«
    »Nein. Ich vermute, er hat das XP-Serum an sich selbst ausprobiert.«
    Ruckartig stand Stephan auf und wanderte ziellos im Zimmer auf und ab. »Das glaube ich nicht. Paul ist einer der besten Ärzte auf meiner Station. Und er weiß doch selbst, dass es bisher nur eine Studie ist, nicht mehr.«
    »Ich weiß. Und er ist zuverlässig. Hat er doch vorgestern erst einem Kollegen das Leben gerettet.«
    Ein neuer Unterton in Hendriks Stimme ließ Stephan in seiner Bewegung verharren. Er starrte den Chefarzt der Intensivstation an, sein Blick hing an dessen Lippen, als dieser mit seinen Vermutungen fortfuhr: »Einem Kollegen, der ausgerechnet im Labor, in dem das Serum erforscht und hergestellt wird, zusammenbrach.«
    Stephan rieb sich über sein permanent zuckendes Augenlid. »Das ist Zufall. Paul hat, bevor er bei uns anfing, nebenbei im Labor gejobbt. Er interessiert sich dafür.«
    »Und zwar nachts.«
    »Nachts? Wie nachts?«
    »Er hat in der Nachtschicht gearbeitet, bevor er hier anfing.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Du weißt aber, dass all das kein Zufall mehr sein kann. Ich kann dir noch mehr erzählen. Weißt du, warum Herr Klein eingestellt wurde?«
    Stephan verneinte.
    »Weil sein Vorgänger schlampig gearbeitet hat. Die Laborbestände an Ampullen wurden oft verändert, mal weil angeblich was runtergefallen sein sollte, mal aus anderen fadenscheinigen Gründen. Er hat es bis zum letzten Tag abgestritten.«
    »Ich kann das nicht glauben!« Er musste mit Paul sprechen und eilte zur Tür hinaus.
    Paul stöhnte gequält, als Stephan den abgedunkelten Raum betrat und dabei Flurlicht auf das Bett fiel. Er drängte sich an die Wand, verbarg den Kopf hinter den Händen.
    Stephan setzte sich auf den Bettenrand. »Paul, hörst du mich?«
    »Zu laut. Rede leiser, bitte«, flüsterte Paul.
    »Okay«, hauchte Stephan. »Weißt du, dass du XP hast?«
    Sekunden verrannen zu Minuten, bis Paul nickte.
    »Hast du Serum geklaut?«
    »Ich liebe meinen Job.« Jetzt drehte sich Paul zu Stephan um. Ein Todkranker, der unter grausamen Qualen litt, konnte nicht schlimmer aussehen. Pauls Augäpfel lagen tief in den Höhlen, sein Gesicht, so grau und schmutzig, als habe es jemand mit Staub bepudert. Seine Wangenknochen zeichneten sich deutlich unter der dünnen, mit Schweiß bedeckten Haut ab.
    Stephan erschrak.
    »Bitte, ich brauche Blut! Verzeih mir.«
    »Ich kann dafür sorgen, dass du das Serum bekommst.«
    »Jetzt brauche ich Blut und Nahrung.«
    »Okay, ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann, aus dem Schlamassel herauszukommen. Aber ich versuche irgendwas, okay? Ich lass dich nicht hängen.«
    Tränen rollten aus Pauls vor Fieber glänzenden Augen.
     
    Obwohl er sich katastrophal fühlte und das Sedativum noch nicht vollständig wirkte, verspürte er eine Begierde, anders als jemals zuvor: Sie roch so gut. Ihre Lippen, so weich. Das Haar, seidig und duftend,

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