Ciara
nicht mehr so grimmig wie zuvor.
»Und was wird mit mir?«
Das Klopfen an der Tür hielt die Beamten von einer Antwort ab. Ein junger Mann mit blonden krausen Haaren und frechen blauen Augen öffnete die Tür einige Zentimeter, steckte den Kopf durch den schmalen Spalt und winkte Olbrig hinaus.
Ciara rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Ihr brummte der Schädel. Irgendwas geschah da draußen. Aus Furcht, weitere Energie zu verlieren, belauschte sie das Gespräch jedoch nicht.
Mit einer Mappe, die vermutlich weitere Details des Falles beinhaltete, kehrte der Beamte zurück. Er legte die Unterlagen Marina Bonito vor, die den Inhalt studierte und anschließend zuerst ihren Kollegen, dann Ciara ratlos anschaute.
»Sagt Ihnen der Name Paul Philis etwas?«
Ihr Herzschlag setzte einmal aus. Sie nickte.
»Woher kennen Sie den Mann?«
»Er ist der Arzt, von dem ich Ihnen eben erzählt habe.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, fragte Olbrig.
»Im Krankenhaus.«
»Paul Philis hat Sie für tot erklärt, danach einen vierwöchigen Urlaub eingereicht, hat seine Sachen zu Hause gepackt, die Wohnung gekündigt, soll dann im Krankenhaus mit Fieber erschienen sein und an einer seltenen Generkrankung leiden, woraufhin ihn seine Kollegen in die USA verlegen ließen?!« Der Polizist schaute Ciara ernst an und stellte dann fest: »Ich hab noch nie zuvor einen derartigen Schwachsinn gehört.«
Ciara konnte ihm sein Misstrauen nicht einmal verübeln.
»Schau dir mal diese Aufnahmen von ihr an!« Olbrig zeigte auf die beiliegenden Fotos. Die Augen der Polizistin folgten seinem Finger, ungläubig begutachtete sie Ciaras Hals und atmete lautstark aus.
»Können Sie uns erklären, wie eine derartige Verletzung binnen einer Woche verheilen konnte?«, fragte sie.
Ciara verneinte. »Ich bin kein Arzt.«
Noch einmal prüfte Marina Bonito die Bilder, blätterte in der Akte und sagte dann: »Sie können gehen, aber bleiben Sie bitte in der Stadt.«
Ciara entging Olbrigs Entrüstung nicht. Noch schien er sich jedoch unter Kontrolle zu haben.
»Für wie lange?«
»Bis wir den Mörder der Mädchen gefunden haben.«
Sie biss die Zähne fest aufeinander. Die Stadt durfte sie nicht verlassen, aber sie war frei. Und irgendeinen Weg, Paul aus den USA zu holen, würde sie finden.
»Kommen Sie mit, ich zeig Ihnen, wo Sie Ihr Gepäck abholen können.« Der Glatzkopf warf seiner Kollegin einen missbilligenden Blick zu.
»Gehen Sie doch schon mal vor, den Flur entlang, die letzte Tür rechts«, wies Marina sie an und widmete sich ihrem Kollegen.
Ohne Reue belauschte Ciara das Gespräch, erst aus der Nähe, später aus der Ferne.
»Dein Vorgehen verstößt gegen alle Regeln!«
»Willst du ihr vorwerfen, dass ihre Wunden schnell verheilen?«
»Wie kannst du sie freilassen?«
»Lass sie gehen. Sie wird nicht flüchten.«
»Woher willst du das wissen? Sie ist die einzige Zeugin und diese ganze Sache stinkt zum Himmel.«
»Dafür kannst du sie schlecht einbuchten«, erklärte Marina.
»Du hättest ihr zumindest den Pass abnehmen können. Lässt du sie wenigstens beschatten?«
»Ja, von dir. Wir sind nach wie vor unterbesetzt.«
Ciara klinkte sich aus, nahm ihre Tasche in Empfang und trat durch die automatischen Flügeltüren hinaus in die eisig kalte Winterluft.
Vor dem Gebäude blieb sie stehen, spähte geradeaus die Straße hoch. Ein Streifenwagen fuhr in diesem Moment vom Parkstreifen an, das Blaulicht blinkte, der Fahrer gab Gas. Sie folgte dem Wagen, der nach links und die Allee entlang raste, mit den Augen, bis er hinter der nächsten Kurve aus ihrer Sicht verschwand.
»Gut, dass sie dich rausgelassen haben.«
Ciara drehte sich um. Mike hatte sich an die Hauswand gedrängt, um sich vor dem Wind zu schützen. Nun kam er auf sie zu.
»Hast du das Frettchen?«
Mike öffnete seine Reisetasche. Neugierig lugte der Marder daraus hervor, doch als ihm der kalte Wind in die Augen blies, blinzelte er und zog seinen Kopf ein.
»Haben sie das nicht bemerkt?«
»Sie haben gar nicht in meine Tasche geschaut.«
»Ich darf das Land nicht verlassen und sie lassen mich beschatten«, erklärte Ciara.
»Das war zu erwarten. Mich wundert es eher, dass sie dich nicht dabehalten haben.«
Ciara schaute an Mike vorbei und betrachtete die kahlen verzweigten Äste einer alten Eiche auf der anderen Straßenseite.
»Was ist mit dir? Brauchst du was? Blut? Essen?« Mikes Stimme verriet seine Besorgnis.
»Lass uns was essen
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