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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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sich in den Sand, starrte auf die Gischt, die seine Schuhe durchnässte, und rief sich Ciaras Gesicht ins Gedächtnis.
     

7. Tag
     
    Noch in der Nacht hatten sie sich um Flüge nach Maine bemüht, doch erst für den kommenden Tag zwei Plätze erhalten und diese unabhängig voneinander reservieren lassen. Die Wartezeit verbrachten sie mit Internetrecherchen über den genauen Standort der Klinik. Das Privatinstitut befand sich auf Alley Island, einer kleinen Insel im Bundesstaat Maine.
    Sie verspürten Nervosität über den bevorstehenden Flug und das Zusammentreffen mit Paul und redeten kaum miteinander. Noch wussten sie nicht, wie sie ihn aus dem Institut herausholen sollten. Nachdem sie bei der Bank Geld geholt und teilweise in amerikanische Dollar umgetauscht hatten, fuhren sie mit einem Taxi – Pauls Wagen hatten sie bei Ciara stehen gelassen – direkt zum Flughafen und checkten ein. Es blieb ihnen noch ausreichend Zeit für ein Frühstück.
    Nachdenklich saßen sie beieinander, tranken Milchkaffee und aßen Croissants, bis die Halle von lauten Rufen und schnellen Schritten erfüllt wurde, und ehe einer der beiden begriff, was geschah, sahen sie sich von der Flughafen-Security umringt. Alles, was dann kam, wirkte wie ein Film in Zeitlupe – gedehnt und unvorstellbar träge, damit sich die Bilder für ewig ins Gedächtnis stanzten. Einige der Uniformierten zielten mit Waffen auf sie, andere hielten die Hände in entsprechender Position am Pistolenhalfter oder Schlagknüppel, um sofort eingreifen zu können, sollten sich Ciara und Mike der Festnahme widersetzen.
    Ein großer Mann drängte sich durch die Schaulustigen, die versuchten, durch die Reihe der Sicherheitskräfte hindurch einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, und trat auf Ciara zu. Er trug keine Uniform, sondern über einer Jeans mit Bügelfalte und einem blauen verwaschenen Sweatshirt einen grauen Trenchcoat, der um seinen dürren Körper schlackerte. Seine Glatze glänzte im künstlichen Licht der Flughafenhalle, in den grauen Augen des Mannes glaubte Ciara Gleichgültigkeit zu erkennen. In einer Hand hielt er übergroße Kabelbinder, wie sie anstelle von Handschellen benutzt werden. Mit der anderen zeigte er ihr seinen Ausweis.
    »Otto Olbrig. Leitender Beamter dieser Sonderkommission. Frau Duchas, ich nehme Sie fest wegen Mordes …«, die restlichen Worte drangen wie aus weiter Ferne zu Ciara durch, sie spürte die Plastikbinder, als sie fest um ihre Handgelenke gezurrt wurden, suchte Mikes Blick, der sie entsetzt anstarrte, und erkannte seine Gedanken, ohne sie zu lesen. Sie schüttelte den Kopf. Panik stieg in ihr auf. Sie sandte Mike stumme Schreie, die ihr Unverständnis zum Ausdruck brachten und ihm verdeutlichen sollten, dass sie unschuldig war, dass sie nicht wusste, was hier passierte, dass sie Angst hatte. Schreckliche Angst. Vor Kurzem hatte sie noch sterben wollen und jetzt schien ihr nichts wichtiger zu sein, als das Leben eines Mannes zu retten, der ihr – nur weil sie sich ähnlich waren – so nahe zu sein schien.
    Grob packte der Polizist sie an einem Oberarm, zerrte sie durch das Spalier der Gaffer hindurch und aus der Abflughalle hinaus. Mehrmals drehte sie sich nach Mike um. Sie sah, wie ein uniformierter Beamter Mike abführte. Ihr Gepäck, das sie für den Flieger nach Maine aufgegeben geglaubt hatten, trug eine korpulente ältere Frau hinter ihnen her.
     
    Sie wurden in unterschiedliche Streifenwagen gesetzt und in das Präsidium gefahren, an dem Ciara noch vor einem Jahr täglich auf ihrem Schulweg vorbeigegangen war, bevor sie ihr Abitur gemacht hatte. Damals hatte sie geglaubt, ihr Leben sei einsam, aber gewöhnlich, jetzt brach es zunehmend aus der ihr bekannten Normalität aus – sie trieb auf einen tiefen, dunklen Abgrund zu.
    Der Beamte führte sie in ein kahles Zimmer, das im Vergleich ihrem Krankenhauszimmer nachträglich drei Sterne verlieh. An den Wänden klebten über die Jahre hinweg grau und schmutzig gewordene Tapeten. Ein undefinierbarer Belag auf dem grünen Linoleumboden haftete an ihren Schuhen, und der Stuhl, auf den sie der Glatzköpfige drückte, dürfte bei längerem Gebrauch Hämorrhoiden verursachen. Auf dem abgenutzten quadratischen Tisch befanden sich ein Mikrofon und ein antiquarisch anmutender Kassettenrecorder. Durch das mit Gitterstäben verschlossene Fenster drang mattes Licht. Sie hatte erwartet, unter der Decke eine kahle Glühbirne zu finden, doch dort hing eine Neonröhre. Ciara

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