Cigams Sündenfall
Antriebe sorgten.
Wie ein Lappen hing das Stück Haut nach unten und berührte mit seinem Ende den Nasenrücken. Nur diese eine Veränderung verunstaltete das Gesicht zu einer Farce, auch wenn die Lippen lächelten, es kam nicht rüber.
»Weißt du nun Bescheid?« Die Worte sickerten Milena entgegen, und sie hatte Mühe, sich darauf einzustellen, daß dieses Wesen mit ihr gesprochen hatte.
»Wer bist du?«
»Cigams Sündenfall.«
Zu spät war Milena eingefallen, daß sie die Frage schon einmal gestellt hatte, doch die Antwort war ihr nicht fremd gewesen. Auch John Sinclair und Suko hatten diesen Begriff erwähnt.
Cigams Sündenfall…
Und wo steckte Cigam…?
Altea lächelte wieder. »Du denkst nach, ich sehe es dir an.« Sie berührte wieder den Hautlappen und drückte ihn zurück. Er füllte die Lücke aus und blieb dort kleben, als wäre er nie fort gewesen. Es war nichts zu sehen, was gestört hätte. Keine Naht, kein Riß, überhaupt nichts. Sehr glatt lag die Haut als Gefüge auf der Stirn und wurde nicht mal von einer Falte durchbrochen.
Dieses Wesen hatte Cigam erwähnt. Allein der Name flößte Milena Beklemmungen ein. War er hier in der Nähe? Hielt er sich nur irgendwo versteckt? Würde er gleich erscheinen und zuschlagen? Sie wollte es unbedingt wissen, deshalb fragte sie: »Wo steckt Cigam?«
»Du kennst ihn?«
»Ich habe von ihm gehört.«
»Ja, das glaube ich dir. Sinclair und Suko haben mit ihm Erfahrungen sammeln können. Er hat es mir berichtet. Ich kenne die beiden. Ich wußte aber nicht, daß sie so schnell sein und hier in Prag auftauchen würden. Doch das lassen wir uns nicht gefallen. Sie sind unsere Feinde, und Feinde muß man einfach ausmerzen. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, nichts darf uns daran hindern.«
Milena war intelligent genug, um zu wissen, was diese Worte bedeuteten. Die andere Seite hatte den Tod der Verfolger beschlossen.
Dazu gehörte sie ebenso wie Sinclair und Suko.
Die Umgebung hatte sich für sie noch mehr verändert. Sie war kälter geworden, kalt wie in einer Gruft. Der Tod schlich unsichtbar heran und meldete sich auf diese Art und Weise. Seine eisige Aura wehte über ihren Rücken, und sie dachte daran, daß sie wirklich nur eine Chance hatte, um zu entkommen.
Sie mußte schießen!
Nur schien die andere keine Furcht vor der Waffe zu haben. Auch als Milena direkt auf ihren Kopf zielte, nahm sie dies gelassen hin. »Was sind Waffen gegen mich?« fragte sie.
»Geh aus dem Weg!«
»Wirklich?«
»Ja, verschwinde!« Milenas Stimme überschlug sich. Sie dachte auch an ihre beiden Begleiter. Wie lange sie fort gewesen war, wußte sie nicht, aber die beiden Polizisten konnten durchaus mißtrauisch werden. Dann würden sie kommen und nachschauen, auch wenn dies eine Damen-Toilette war. Nur hatte sie nicht auf die Uhr geschaut und…
Ihr Finger hatte zu stark gezittert.
Durch den Ruck war der Druckpunkt überwunden worden. Der Schuß löste sich und die Kugel traf.
Milena Novak hatte sich selbst erschreckt. Alles war plötzlich so einfach gewesen. Die Kugel, der Treffer, und Altea war getroffen worden. Nicht in den Kopf, wohin Milena gezielt hatte. Beim Schießen hatte sie die Waffe etwas verrissen, der Lauf hatte sich gesenkt, und die Kugel war in den Körper der anderen gefahren.
Mit einer grotesken Bewegung und einem Sprung nach rechts, als hätte sie dem Geschoß noch ausweichen wollen, kippte Altea zur Seite. Sie machte den Weg zur Tür frei, und Milena hätte jetzt nach vorn stürmen können, aber sie war zu perplex.
Sie befand sich plötzlich in einer nicht erklärbaren Starre. Sie konnte selbst nicht glauben, was geschehen war, daß sie es geschafft hatte.
Es überstieg einfach ihr Vorstellungsvermögen, und nur sehr langsam drehte sie den Kopf, um auf ihre Feindin zu schauen.
Kein Blut. Keine Schreie. Auch kein Stöhnen. Dafür konnte die Kommissarin erkennen, wo die Kugel in den Körper gefahren war. In die rechte Brust hatte sie Altea getroffen, da hatte die Kleidung ein Loch aufzuweisen. Die Kugel mußte in dem Körper stecken, aber sie hatte keine Wunde hinterlassen. Da floß kein Blut.
Wie auch bei all der perversen Mechanik unter der Menschenhaut.
Dies zu begreifen, dauerte etwas. Alles war so schrecklich neu für Milena. Sie hatte bisher mit derartigen Dingen nichts zu tun gehabt. Aus Geschichten waren ihr gewisse Spukerscheinungen bekannt. Prag konnte ja als die Hauptstadt des Spuks und der Geister angesehen werden. Sie tauchten
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