Cigams Sündenfall
kümmerten. Sie hatten andere Probleme, denn Sinclair, Suko und auch die Frau waren aus einem anderen Holz geschnitzt als seine Leute, die ihm zwar menschliche Gegner vom Leibe halten konnten, ansonsten aber ziemlich hilflos waren, wenn es um magische Mächte ging.
Altea wandte sich ab. Sie ging zur Tür und öffnete sie spaltbreit. Das Wesen ließ sich Zeit. Es sondierte die Umgebung, weil es schauen wollte, ob die Luft rein war.
Cigam war neben Costello stehengeblieben. Er hatte keinen Blick für den Mafia-Chef. Dennoch traute sich Costello nicht, auch nur einen kleinen Finger anzuheben. Er wagte es nicht einmal, falsch zu denken, er konnte nie wissen, über welche Kräfte der andere verfügte.
Draußen war die Sonne zwar nicht verschwunden, doch der runde Ball hatte sich im Westen gesenkt und bedachte die Dächer der Häuser mit einem blutroten Schein, der irgendwie als Atmosphäre voll und ganz paßte.
Altea schloß die Tür wieder und drehte sich gelassen um. Einige Male nickte sie, als wollte sie ihren Eindruck, den sie draußen erhalten hatte, voll bestätigen.
»Es wird bald dämmern.«
»Gut.«
»Zeit für den Friedhof«, flüsterte sie.
Cigam lachte. »Ja, dort werden sie sein. Da ist sein Grab. Sie werden es besuchen. Der Rabbi«, er ließ das Wort auf der Zunge zergehen, »hat es damals versucht mit dem Golem, aber wir sind besser, viel besser.« Wie eine Schraubzange umklammerte seine Hand Costellos Genick.
»Glaubst du, daß wir besser sind?«
»Ja!« stöhnte dieser. »Ja, verdammt, ich glaube es dir…«
***
»Ich habe Angst«, sagte Milena Novak leise und zog fröstelnd die Schultern hoch, obwohl dafür kein Grund bestand, denn noch immer war es ziemlich warm.
Als großer, roter Ball stand die Sonne am Himmel, der die Stadt beobachtete wie ein mit Blut gefüllter Kreis. Er schien jeden Moment platzen zu wollen, um seine schreckliche Ladung über den Dächern der Stadt an der Moldau abzuladen.
Wir hatten die Zeit damit verbracht, Milena Novak zu trösten. Sie war in das kalte Wasser hineingeworfen worden und mußte nun schwimmen.
Okay, sie arbeitete als Kommissarin, aber die Fälle, mit denen sie bisher zu tun hatte, hielten den Vergleich zu diesem einfach nicht stand. Beide standen zueinander wie Feuer und Wasser, und es war ihr schwergefallen, das Neue zu begreifen.
Prager Geister, Prager Gespenster, das, so hatten wir von ihr erfahren, gab es genug in der Stadt. Besonders in den frühen Wintermonaten, wo die Stadt im Nebel schwamm und an jeder Ecke Gestalten zu kauern schienen. Doch hier erlebten wir einen herrlichen Frühling oder schon einen Frühsommer, und doch hatte sich das Grauen eingeschlichen.
Wie gesagt, es hatte seine Zeit gedauert, bis Milena es akzeptieren konnte. Dann setzte sich ihr Beruf wieder durch, und sie telefonierte von einem kleinen Postamt aus mit ihrer Dienststelle. Sie wollte sich nach Costello und seinen Männern erkundigen. Möglicherweise hatte man von ihnen eine Spur entdeckt.
Wir warteten in der kleinen Vorhalle des Postamts. Da wir dicht an der Scheibe standen und diese an der Westseite lag, wurden wir noch von den letzten Sonnenstrahlen getroffen und auch durchgewärmt. »Und du meinst, daß wir den richtigen Weg beschreiten, wenn wir auf den alten Jüdischen Friedhof gehen?« fragte Suko. Er hatte ein skeptisches Gesicht aufgesetzt und schien damit nicht einverstanden zu sein.
»Warum nicht? Es ist die einzige Möglichkeit, die einzige Chance.«
»Kannst du mir das noch mal erklären?«
»Back to the roots«, sagte ich.
Er zog seine Stirn weiterhin kraus. »Zurück zu den Wurzeln, den Ursprüngen, den Anfängen!«
»Ja, damit hat es begonnen.«
»Das liegt fünfhundert und mehr Jahre zurück, John.«
»Na und? Hat die Zeit jemals für die Magie eine Rolle gespielt? Wohl nicht. Da brauche ich nur an die Kreaturen der Finsternis zu denken. Ihr Alter ist kaum zu schätzen. Ich meine, daß dieser Friedhof schon eine wichtige Station sein wird. Es könnte ja sein, daß Cigam und sein Sündenfall dort noch Kraft schöpfen. Ich halte mittlerweile nichts mehr für unmöglich. In dieser Stadt geschieht Ungeheuerliches, das erst am Beginn steht. Es ist sogar so schlimm, daß selbst eine Figur wie Logan Costello keinen Einfluß gewinnen soll. Hier haben andere Kräfte die Kontrolle übernommen.«
»Dabei könnte Costello ihnen eine wertvolle Hilfe sein!«
Suko war anderer Meinung. »Das glaube ich nicht. In dieser Stadt kommen sie allein zurecht.
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