Cigams Sündenfall
Ich gehe davon aus, daß sie Costello und seine Männer eher als Last empfinden.«
»Und was folgerst du daraus?«
Ich hob die Schultern. »Daß sie ihn aus der Stadt jagen, wenn er Glück hat. Er kann aber auch Pech haben. Dann wird seine Leiche irgendwann einmal in der Moldau gefunden und nicht in der Themse. Ich habe den Eindruck, daß sich dieser Mann zu weit vorgewagt hat.«
»Trotz einer gewissen Unterstützung?« Suko gab einfach nicht klein bei.
»Du denkst an Asmodis?«
»Ja.«
Ich winkte matt ab. »Hör mir damit auf! Du weißt doch selbst, wie sich die Dinge verändern können. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Heute hat unser Freund Asmodis mehr Feinde bekommen, er muß sich um andere Dinge kümmern. Da ist der Spuk, da sind auch Mallmann und Assunga, von denen wir, dem Himmel sei Dank, lange nichts mehr gehört haben. Wie ich ihn kenne, wird er voll und ganz auf Cigam und dessen Schwester Altea setzen. So sieht die neue Lage aus. Diese Stadt ist für ihn wie geschaffen, das liegt allein in der Geschichte begründet. Es hat ein anderes System gegeben, nirgendwo ist der Umbruch so stark zum Ausdruck gekommen wie in diesem neuen Staat, auch deshalb, weil sich die Slowakei aus der dominierenden tschechischen Umarmung befreit hat.«
»Du hörst dich an, als wüßtest du alles im voraus.«
»Das nicht, aber ich hoffe, daß ich nicht daneben liege und auf dem Jüdischen Friedhof beiden einen Strich durch die Rechnung machen kann.«
Suko nickte. »Es wird schwer werden, sie zu vernichten.«
»Das weiß ich.«
»Werden sie allein sein?«
»Ich bin kein Hellseher.«
»So meine ich das nicht, John. Es könnte doch sein, daß sich Cigam eine gewisse Unterstützung holt. Ich denke da an die Zombies, die wir am Londoner Flughafen erlebt haben.«
O ja, da hatte er ein Thema angesprochen, an das ich nicht gern erinnert werde. Damals war Cigam so etwas wie der Anführer der lebenden Toten geworden, er hatte die alte Zombie-Herrlichkeit wiederbeleben wollen, wir aber hatten ihm dabei einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.
Von innen wurde die Tür der Telefonzelle aufgedrückt, und Milena Novak betrat den Vorraum. Sie fuhr mit beiden Händen durch das dichte braune Haar und schob es zurück. Ihr Gesicht war ernst, als sie sich uns näherte. Auf der Fensterbank ließ sie sich nieder.
»Schlechte Nachrichten?« fragte Suko.
Die Kommissarin hob die Schultern. »Wie man es nimmt«, sagte sie.
»Zumindest keine guten.«
»Woran liegt es?«
»Meine Kollegen haben noch keine Spur von Costello und seinen Leuten entdeckt. Sie wissen nicht, wo er sich aufhält. Die Stadt scheint ihn geschluckt zu haben.«
»Mal ehrlich, Milena, ich kenne ja nicht sehr viel von Prag, doch was ich bisher gesehen habe, das läßt tief blicken. Eine Altstadt, wo beinahe jedes Haus ein Versteck ist. Da können wir suchen, bis wir schwarz werden und…«
»Sie machen es sich zu einfach, John. Fremde fallen hier schon auf, wenn sie sich anders benehmen als Touristen. Das hätten wir schnell erfahren. Unsere Polizei hat genügend glühende Drähte und Spitzel, die sich in der Szene auskennen. Ich bin einfach davon überzeugt, daß wir sie schon längst gehabt hätten.« Sie hob die Schultern. »Aber was nicht ist, kann noch werden.« Vor der nächsten Frage bekam sie eine leichte Gänsehaut.
»Bleibt es bei unserem Besuch auf dem Jüdischen Friedhof?«
»Sicher«, erwiderte ich.
»Es ist ein Spiel mit großem Risiko. Wir können auf keinen Fall sicher sein, daß die Geschwister und Costello sich dort aufhalten werden. Das mal vorweg.«
»Es ist eine Möglichkeit«, sagte ich. »Wenn wir hier im Postamt bleiben, werden wir kaum eine Chance haben.«
Milena schaute durch das Fenster. »Dessen wäre ich mir nicht so sicher. Ich kann mir vorstellen, daß man uns unter Kontrolle hält. Wir sind die Hasen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das wird kaum möglich sein.«
»Ach ja?«
Ich lächelte in ihren erstaunten Blick hinein. »Uns sind die beiden bekannt. Wir kennen Altea, wir kennen auch Cigam, und keines der beiden Wesen haben wir entdecken können. Zumindest Cigam ist vom Äußeren her doch sehr auffällig.« Milena stimmte mir durch ein Nicken zu, denn ich hatte ihr Cigam genau beschrieben und konnte mir auch nicht vorstellen, daß er sein Äußeres verändert hatte.
Die Kollegin war es letztendlich, die den Anfang machte. »Ich glaube, wir sollten zum Friedhof gehen.« So forsch ihre Stimme auch geklungen hatte,
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