Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
gewünscht! Tommy saß ihr gegenüber. Mit einer Kindergabel stocherte er im Leberkäse herum. »Das da mag ich nicht.«
»Ist lecker, probier mal.«
»Nee. Käse ist bäh.«
»Das ist Wurst.«
»Und wieso heißt sie dann Käse?«
Cinderella kratzte sich am Kopf. »Hm, gute Frage.«
»Bestimmt ist da Käse drin«, mutmaßte Tommy.
»Glaube ich nicht. Koste mal. Schmeckt nur nach Wurst.«
Tommy verzog das Gesicht. »Pfui.« Er begann die gebratenen Leberkäsestücke zum Rand des Tellers zu schieben. »Du hättest Leberkrabben reintun sollen.«
»Leberkrabben?«
»Ja. Leberwurst mit Krabben.«
»So etwas gibt’s nicht, Tommy.«
»Dann musst du das den Wurstmachern mal sagen.«
Cinderella schmunzelte. Genauso sollte es immer sein. Ein gemeinsames Frühstück mit Tommy, in einem schönen Zuhause. Sie nippte an ihrem Tee, lehnte sich zurück und genoss den Anblick ihres Sohnes, der immer noch mit dem Aussortieren von Leberkäse beschäftigt war.
Mike würde staunen,
dachte sie voller Stolz.
Aber er würde es nicht zu schätzen wissen.
Nicht so, wie sie es tat. Ein Hauch Wehmut überkam sie. Und sie fragte sich, was wohl aus seiner neuen Liebschaft geworden war. Letztendlich spielte es aber keine Rolle mehr. Nicht für sie. Weder Mike noch ein anderer Mann würden ihr jemals wieder nahekommen. Ein lustiger Gedanke huschte durch ihren Kopf.
Männerfreie Zone.
»Ich brauche ein Bild, Tommy. Eines von einem Prinzen. Kannst du das malen?«
»Mit einer Krone, wie der Prinz in meinem Malbuch?«
»Ja, genau.«
»Mache ich, Mama. Einen ganz großen.«
Cinderella lächelte. Ein ganz großer Prinz war ideal und genau das, was sie benötigte. Sie würde den Adelsmann durchstreichen, mit roten Buchstaben »Prinzen verboten« darunter schreiben und das Bild an die Eingangstür hängen.Drei Stunden später hatte Cinderella die letzte Reisetasche ausgepackt. Ihr Hab und Gut war regelrecht in der Vielzahl der Schränke verschwunden. Nun endlich hatte sie genug Platz für neue und modernere Sachen.
Ich kaufe mir ein Basecap und veredle es mit bunten Knöpfen. Oder ich nähe gefranste Spitze auf. Hm …
Der Ohrenwecker schlug Alarm und beendete ihre Überlegungen. Zeit für einen Ausflug zur Bank. Sie faltete die erste Lohnabrechnung vom Hotel und steckte sie ein. Keinesfalls wollte sie mit leeren Händen beim Filialleiter vorsprechen.
Ausweis, Anmeldung, Lohnabrechnung, okay.
»Bist du fertig, Tommy?«
»Fast.«
»Nun mach schon. Ich will pünktlich sein. Was tust du noch?«
»Nichts.«
Cinderella stutzte. Als Mutter wusste sie nur zu gut, dass »nichts« zumeist ganz und gar nichts Gutes verhieß. Sie schlich ins Kinderzimmer und blickte sich um. »Tommy? Wo bist du?«
Keine Reaktion. »Tommy! Jetzt hör auf, dich zu verstecken, und komm raus.«
Ein leises »Hier drüben« ertönte vom Bett.
Cinderella bemerkte eine eigenartige Bewegung auf dem Bett und blickte genauer hin. »Hast du sie noch alle!«, entfuhr es ihr. Tommy lag regungslos auf der getigerten Tagesdecke seines Bettes und grinste. Seinen Körper inklusive Unterhose hatte er komplett in den Farben des Deckenmusters bemalt. »Cool was, Mama?«
»Cool? Du wäschst dir sofort die Farbe ab, aber schnell. Ich glaub das alles nicht …« Cinderella zeigte zur Tür. »Aber ganz schnell! Wie kommst du nur auf solchen Blödsinn?«
Tommy rannte an ihr vorbei ins Bad. »Chamäleon-Taktik muss immer geübt werden, hat der Major gesagt.«
Vielen Dank, Major Schulze!
Cinderellas Wut schwächte sich beim Gedanken an den liebenswerten Ruheständler ab. Sie ließ Wasser in die Badewanne ein und hob Tommy über den Wannenrand. »Du und der Major, ihr kommt vielleicht auf Sachen.«
»Nee, Mama, Tarnung ist keine Sache, sondern Kriegstaktik.«
»Sei still und tauch mal lieber ab.« Cinderella schüttete eine extra Portion Schaumbad hinein.
Wenn das nichts nützt, hilft nur noch Linda Neutral.
Damit hatte Oma Trautchen sogar Grasflecke aus verkrusteten Kniewunden geschrubbt. Das Wasser färbte sich zu Tommys Glück hellorange
.
Somit war er der legendären Trautchen-Scheuerkur entgangen.
Cinderella hing über dem Rand und bürstete die letzten Farbreste von seinen Zehen. Mit schaumbedeckten Händen strich sie ihre im Wasser hängenden Haarsträhnen zurück. Ausgerechnet heute trug sie das Haar offen. Eine Frisur, mit der wohl nur Mütter aus der Fernsehwerbung allen Familienkatastrophen gewachsen waren.
Mittlerweile war es Viertel vor zehn, und der Termin bei der
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