Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt

Freizeitspaß im Katalog entdeckt und begeistert mit seinen schokoladenbeklebten Fingern draufgetippt. Das da will ich auch mal machen, hatte er damals gesagt. Ach ja, damals. Damals gab es noch Mike und den Plan der zukünftigen Familie Preußer. Heiraten wollte er, gleich nach der Geburt von Tommy. Aber es kam anders, wie so oft im Leben. Mal war das Geld zu knapp, mal die Zeit ungünstig. Meist aber war es das sprunghafte Hin und Her, das Mike zu einem der unzuverlässigsten Väter der Welt machte. Ein ständiges Auf und Ab, bis später die Affären hinzukamen. Cinderella seufzte. Sie hatte ihn geliebt. Ja, das hatte sie wahrlich. Und sie hatte ihm immer wieder verziehen. Dochdann kam der große Krach – das Aus und Ende ihrer einzigen Liebe.
Wie konnte er ausgerechnet mit Sandra durchbrennen? Mit Sandra!
Cinderella verzerrte ihr Gesicht, als würde sie sich furchtbar ekeln.
Mit dieser bescheuerten Kuh Sandra, dem Flittchen der Nation.
Schlimm genug ihre Stiefschwester zu sein. Aber Mike und Sandra? Nein! Das war zu viel.
    Sie blickte zu Tommy, der pantomimische Verrenkungen machte. »Was tust du?«
    »Ich habe meinen Oldtimer eingeparkt.«
    »Aha.«
    »Ein Ami, mit ohne Dach.«
    »Du fährst einen Ami?«
    »Ja, klar. Ein Cabrioleoleole.«
    Cinderella lachte. »Ein was?«
    »Na ein Oben-ohne-Auto.«
    »Weißt du was? Wir gehen jetzt zum Strand und suchen uns eine riesige Luftbanane, auf der wir durchs Wasser rasen können.«
    »Au ja.« Tommy klatschte in die Hände. »Und danach hängen wir unsere Sachen zum Trocknen an einen Stock. Genauso wie die Pfadfinder.«
Stopp, falsche Klamotten.
Cinderella blickte an sich herab. Baumwollbluse, Business-Hose und Schuhwerk mit renntauglichen Absätzen waren nicht gerade die Highlights der Strandsaison. Tommy hingegen trug kurze Shorts, Niki und Sandalen. Er sah wesentlich wassergeeigneter aus.
Egal. Hose hoch, Schuhe aus und Knoten in die Bluse.
»Los, Tommy. Auf zum Strand.«
     
    Der südländische Charmeur von der Surfschule lächelte. »Zwei Plätze wären noch frei. Aber …« Er stockte. Sein Blick glitt zweifelnd an Cinderellas Körper herab. »… mit den Klamotten? Bikini ist angesagt auf Bananen-Tour. Den haben sie wohl nicht zufällig drunter?«
    Sie schluckte schwer.
Klar, Süßer, einen verdammt heißen sogar. Den trage ich immer bei Bankgeschäften darunter, für den Fall, dass ich einen Abstecher zum Meer mache. Und meine wasserfeste Kredit-Card steckt natürlich fest im Badehöschen. Wenn du mal so freundlich wärst, ich habe gerade ganz verschwitzte Hände.
    »Nein, habe ich nicht. Aber ich könnte mir vielleicht eines dieser Tücher da umwickeln.«
    Er blickte sich um. »Einen Pareo?«
    »Ja. Dieses dort, mit den hübschen Blumen.«
    »Nee, Mama.« Tommy zerrte an ihrem Blusenärmel. »Das dort drüben, mit den Krabbentieren.«
    Mit Krabben? Das ist wohl ein Scherz?
Entsetzt schüttelte sie den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Dann reitest du eher alleine auf der Banane. Aber ich werde keinen Krabben-Pareo tragen!«
    Tommy überlegte. »Hm … Na gut, dann kauf den mit Blumen.«
    Der Aufstieg auf die luftgefüllte Riesenbanane war wackelig. Cinderella hatte sich kurzerhand von ihrer Hose und Bluse getrennt und den Pareo an einem der Träger ihres Sport-BHs befestigt. Die knallige Rettungsweste verlieh ihrem Outfit eine besondere Note.
Immer noch besser als die Dame im giftgrünen Badeanzug,
munterte sich Cinderella auf. Die speckigen Hüftenringe der Bananen-Tour-Konkurrentin taten sich wie übergigantisch große Donuts unter dem elastischen Stoff hervor. In ihrer orangefarbenen Schwimmweste wirkte sie wie ein eingefärbter Marshmallow auf zwei wabbeligen Beinen. Dennoch hatte sie genug Selbstbewusstsein, um über andere Bananen-Mitfahrerinnen zu lästern. »Guck dir die mal an«, meinte sie zu ihrem ebenfalls gut beleibten Anhängsel. Der Mann kicherte, verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall.
Hat der etwa
einen Brillanten im Ohr?
Irgendwas funkelte oberhalb der Stelle, an der eigentlich sein Hals sein sollte. Cinderella fixierte den Vordermann ihres Sohnes. Doch bevor sie den Edelstein ausmachen konnte, ruckte die Banane an.
     
    Fröhlich gestimmt schloss Cinderella die Tür zum Apartment auf. Ihr Haar hing strähnig herab. Alles war nass vom höllischen Bananenritt und sandig vom missglückten Trocknungsversuch am Strand. Egal, Tommy strahlte übers Gesicht.
    »Hast du das gesehen, Mama? Platsch, da lag sie drin.« Und ob Cinderella das gesehen