Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
suche eine Frau.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei Ihrer Suche. Auf Wiederhören.«
Erzürnt über den Anrufer und den Fehler der Zeitungsredaktion warf Cinderella das Handy aufs Sofa.
Was denkt dieser unverschämte Kerl? Dass er eine Haushälterin bekommt, die ihn bezahlt?
Sie lehnte sich zurück und nippte an ihrem Tee. Eine geschmackvolle Friesenmischung, die ihr Frau Schmiedel empfohlen hatte.
Hm, wirklich lecker.
Moritz mochte diesen Tee offenbar auch. Immerhin hatte er ganze sechs Tassen davon getrunken.
Ach Moritz … Was er wohl gerade tat?
Sie griff erneut zum Handy.
Soll ich oder soll ich nicht?
Bestimmt wartete er schon gespannt auf ihren Anruf.Und nach dem letzten Anrufer hatte sie wenig Hoffnung auf einen besseren Bewerber. Sie suchte in der Anrufliste seine Nummer und wählte ihn an.
»Moritz hier.«
»Hi, hier ist Preußer, die Mutter von Tommy.«
»Ich verstehe Sie so schlecht. Moment, ich gehe mal nach draußen.« Im Hintergrund lief Musik, Menschen unterhielten sich und Gläser klirrten. »Ich wollte Sie nicht stören. Ich kann auch morgen noch einmal anrufen«, schrie Cinderella ins Telefon.
»Nein! Moment! Es wird gleich leiser«, brüllte Moritz zurück. »So, jetzt kann ich Sie besser verstehen.«
Cinderella wiederholte. »Hi, hier ist Preußer, die Mutter von Tommy.«
»Das weiß ich bereits.«
»Ach ja? Ich dachte, Sie konnten mich nicht verstehen?«
»Das stimmt. Aber Ihr Name stand im Display.«
Sein Handy kennt meinen Namen?
»Ach so. Da stand ich wohl gerade auf der Leitung«, witzelte sie.
»Ich gestehe, ich habe auf Ihren Anruf gehofft«, fuhr er fort.
»Haben Sie?«
»Ja! Und wie lautet Ihre Entscheidung?«
»Na ja, ich denke, dass es okay ist, wenn wir es probieren.«
»Prima! Wann fange ich an?«
Cinderella schluckte. »Da ist noch was, das ich Ihnen sagen muss.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Ich … ich … wie soll ich sagen, ich kann Ihnen aber vorerst nur sieben Euro statt zehn die Stunde zahlen.«
»Kein Problem.«
»Ehrlich nicht? Ich meine, weil Sie doch so dringend das Geld für Ihr Studium brauchen.«
»Ihre Sorge ehrt mich, aber ich bekomme das Geld schon irgendwie zusammen. Notfalls nehme ich einen zweiten Job an.«
Cinderella war gerührt. Dieser Moritz schien wirklich ein guter Mensch zu sein. »Wenn Sie möchten, können Sie Montag anfangen. Da habe ich meinen freien Tag, den ich allerdings für Näharbeiten benötige.«
»Montag klingt gut. Welche Zeit?«
»Vierzehn Uhr?«
»Ist notiert. Bis dahin. Und grüßen Sie mir den kleinen Helden.«
Unerwünschter Besuch
Drei Wochen später …
Cinderella zündete die Duftkerze an. Sie wusste selber nicht so genau, weshalb sie den Lavendelstumpen gekauft hatte. Aus irgendeinem Grund lag dieser unnötige Zusatz in ihrem Einkaufswagen. Und weil das so war, hatte sie ihn bezahlt und mitgenommen.
Hm, Lavendel …
Sie blickte zur Uhr. Noch dreizehn Minuten, dann würde er kommen. Hektisch sortierte sie die herumliegenden Stoffreste, brühte Tee auf und steckte ihr Haar hoch.
»Mama, ich bin fertig«, rief Tommy aus seinem Zimmer. Und tatsächlich. Alles war ordentlich weggeräumt und glänzte. Ein »Wow« huschte über ihre Lippen. Das hatte sie Moritz zu verdanken. Er übertraf ihre Erwartungen. Und das nicht nur als Ersatz-Papa. Auch im Haushalt packte er tatkräftig mit an und wies Tommy in die einfachen Dinge der Hausarbeit ein. Eine Entwicklung innerhalb kurzer Zeit, die sich zum wahren Volltreffer entpuppte.
Ach ja, der goldene Oktober.
Cinderella öffnete ein Fenster und inhalierte die herbstliche Meeresluft, die sich mit dem Duft der Kerze vermischte. Der Wind zog geräuschvoll durch die bunten welken Blätter der Trauerweide, die rhythmisch hin und her tanzten. Ein einzigartiges Zusammenspiel der Natur, das Cinderella zu lyrischen Gedanken verführte, wie so oft in den vergangenen Tagen. Fröhlichkeit durchströmte ihren Körper, als sie ihre Gedankensplitter auf einen Zettel schrieb.
Herbsttanz eines Blattes.
Ein Hauch Romantik dringt zunehmend durch die kalte
Jahreszeit. Ich höre den Klang des Windes, wiege mich rhythmisch hin und her, im Gedanken an dich. Dann endlich! Du bist gekommen. Und mit dir tausend bunte Blätter. Ziellos wirbeln sie herum, bettelnd um den letzten Rausch.
Ich kehre in mich, entsinne mich meiner selbst. Nein! Ich bin keines der verdorrten Dinger, die sich euphorisch dir ergeben. Fabulierend erwehre ich mich, trotze deiner Macht, bis der Novemberblues mich
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