Cinderella kehrt zurück
jemandem hier in Northbridge etwas auf. Schön wär’s jedenfalls.“
Cam trank einen Schluck Mineralwasser. „Wie geht es deinen Verwandten eigentlich mit dieser Sache? Ich habe mich ja bisher nur mit dem Pfarrer unterhalten, und der hat ziemlich dichtgemacht. Er meinte, er wollte damit so wenig wie möglich zu tun haben.“
Eden zuckte mit den Schultern, zupfte ein Stück geschmolzenen Käse vom Pizzakarton und steckte es sich in den Mund. Dann setzte sie eine todernste Miene auf. „Na ja, wir versu chen eben alle zu verheimlichen, dass wir unsere Großmutter seit über vierzig Jahren bei uns im Keller verstecken.“
Cam grinste. „Habt ihr sie festgebunden, oder lasst ihr sie frei herumlaufen, damit sie euch Kekse backen kann?“
„Na, was denkst du denn, sie muss natürlich Kekse backen. Wofür sind Großmütter sonst gut?“
Wenn er lächelte, wurde Eden warm ums Herz.
„Aber jetzt mal im Ernst“, sagte er. „Wie geht deine Familie damit um?“
„Ach, ganz unterschiedlich“, erwiderte sie. „Wahrscheinlich so ähnlich, wie deine Familie reagiert hat, als deine Halbschwester Karis auf einmal in Northbridge aufgetaucht ist. Du meintest doch, dass ihr anfangs ziemlich vorsichtig wart – aber ich schätze, ihr hattet nicht alle die gleichen Bedenken, oder?“
„Wir waren alle mehr oder weniger skeptisch ihr gegenüber. Dabei war ich wohl am schlimmsten … und Neily und Mara waren am offensten. Sie waren bereit, ihr eine Chance zu geben und gingen nicht automatisch davon aus, dass Karis genauso war wie ihre Schwester Lea, die uns ja um ganz schön viel Geld betrogen hat. Unsere Brüder lagen mit ihrer Einstellung irgendwo dazwischen.“
„Tja, mein Vater und mein Onkel sind beide ziemlich hin und her gerissen, wenn es um Celeste geht“, erzählte Eden. „Sie erinnern sich beide daran, dass sie eine gute Mutter war und außerdem viel lockerer als der Pfarrer. Sie hat mit ihren Kindern gespielt, ihnen auch mal Süßigkeiten mitgebracht und nicht immer nur auf gutes Benehmen geachtet …“
„Der perfekte Gegenpol zum Pfarrer sozusagen“, vermutete Cam.
„Ja, so kommt es mir auch vor. Ihre Söhne haben sie wohl schrecklich vermisst, als sie verschwunden ist. Mein Vater meinte, er hätte lange gehofft, dass seine Mutter noch einmal zurückkommen und ihn und Carl abholen würde. Aber das hat sie nie getan, und langsam haben die beiden dann einen Groll auf sie bekommen. Und jetzt … jetzt glaube ich, dass sie Celeste einerseits gern wiedersehen würden, es aber auch noch ein Andererseits gibt. Sie haben wohl ziemlich große Angst davor, wieder verletzt zu werden.“
„Und wie geht’s dir damit? Und deinen Geschwistern und Cousins und Cousinen?“
Inzwischen waren sie mit der Pizza fertig, und Eden nahm sich ein Stück Windbeutel. Sie hatte das Gebäck nachmittags aus der Bäckerei mitgebracht und eben in kleine Stücke geschnitten, damit sie es sich als Nachtisch teilen konnten.
„Wir sind ja insgesamt zu siebt“, sagte Eden. „Und wir haben alle eine andere Meinung zu dem Thema. Nicht, dass wir uns deswegen zerstritten hätten oder so. Jedenfalls befinden meine Schwester Eve und ich uns ziemlich genau in der Mitte. Wir hoffen beide, dass Celeste nicht straffällig geworden ist, und versuchen, möglichst aufgeschlossen an die Sache heranzugehen, bis wir wissen, was damals passiert ist.“
„Und deine Schwester Faith?“
„Die hat vollstes Verständnis für Celeste. Sie meint auch, genau zu wissen, warum Celeste von hier verschwunden ist. Faith hat sich während ihrer Kindheit nämlich selbst vom Pfarrer so dermaßen unter Druck gesetzt gefühlt, dass sie meint, es müsste Celeste genauso gegangen sein. Also findet Faith es völlig nachvollziehbar, dass ihre Großmutter mit allen Mitteln versucht hat, auszubrechen.“
„Und deine Cousins und Cousinen?“, hakte Cam nach.
„Jared, Noah, Kate und Meg? Die sehen das auch recht durchwachsen. Zum Teil können sie nachvollziehen, was Celeste getan hat, zum Teil haben sie Mitgefühl – und außerdem wollen sie erst mal abwarten, was die Nachforschungen ergeben. Natürlich ist uns die Sache irgendwie unangenehm, und manchmal wünschen wir uns, es wäre schon vorbei. Aber auf jeden Fall sind wir alle sehr neugierig. Na ja, bis auf den Pfarrer vielleicht. Aber der würde seine Gefühle auch nie zeigen, er tut lieber so, als hätte er keine.“
„Das klingt ja, als würdest du mit deinem armen alten Großvater nicht so gut
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