Cinderella kehrt zurück
dass etwas nicht stimmte.
Inzwischen kamen ihr nicht mehr die Tränen, wenn sie sich an diese Nacht erinnerte. Damals hatte sie es nicht für möglich gehalten, dass sie diese furchtbare Zeit überleben würde, dass die Schmerzen jemals erträglicher würden. Aber einige Monate später hatte alles anders ausgesehen. Sie hatte gelernt, damit zu leben.
Warum war sie also heute doch wieder mitten in der Nacht wach geworden? Als sie sich ins Bett gelegt hatte, hatte sie noch an Cam gedacht – und jetzt war sie wegen Alika aus dem Schlaf geschreckt. Seltsam …
Es sei denn, dass Cam der Grund dafür war: Sie hatte ja kaum einschlafen können, weil er ihr nicht aus dem Kopf gegangen war, hatte den ganzen Tag mit ihm Revue passieren lassen. Sie hatte im Geiste noch einmal den Gutenachtkuss durchlebt und sich gewünscht, dass es nicht der letzte wäre … Obwohl ihr völlig klar war, wie unklug das von ihr war.
Vielleicht war sie ja deswegen wach geworden: Weil ihr Unterbewusstsein sie davor warnen wollte, sich auf Cam einzulassen. Schließlich wusste sie genau, was ihr mit so einem Mann passieren konnte. Viel zu gut wusste sie das.
Sie hatte schon auf der Highschool gemerkt, was er für ein Typ war. Und es sah nicht so aus, als hätte er sich seitdem großartig geändert: Er war immer noch extrem selbstbewusst, unerschrocken und sehr von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt. So sicher wie damals, als er dachte, er könnte seine Physikklausuren mit links schaffen. Ohne etwas dafür zu tun.
Eden hatte schon viele Polizisten erlebt, die ihm in diesen Dingen sehr ähnlich waren. Alika zum Beispiel.
Auch äußerlich erinnerte Cam sie stark an Alika: mit seinem gebräunten, muskulösen Körper, den er an den Fitnessgeräten über seiner Garage in Form hielt. Beide Männer sahen einfach umwerfend aus. Und wenn Cam ihr gegenüberstand, würde sie sich am liebsten an ihn schmiegen, über seine kräftigen Arme streichen, die Hand auf seine breiten Schultern legen.
Aber wenn sie das Gesamtbild betrachtete? Sein umwerfendes Aussehen einerseits, diese unglaubliche Selbstsicherheit andererseits? Dann hatte sie es mit einem Menschen zu tun, der sich vielleicht nicht gerade für einen Supermann hielt, der sich aber immerhin einbildete, dass ihm nichts Schlimmes passieren könne.
Und genau da irrte er sich.
Aber so etwas wollte Eden nicht noch einmal erleben müssen. Obwohl sie offenbar eine Schwäche für solche Männer hatte, so wie andere Frauen auf blonde, behaarte Typen standen. Jedenfalls durfte sie dieser Schwäche nicht nachgeben, das war klar.
Allmählich beruhigte sich ihr Puls wieder, und sie entspannte sich.
Ich lasse mich auf keinen Polizisten mehr ein, dachte sie. Das hatte sie sich schließlich geschworen: keine Polizisten mehr, und auch keine Polizeiarbeit. Zugegeben: Seit sie wieder in Northbridge war und mit Cam zu tun hatte, hatte sie diese beiden Grundsätze ein wenig aus den Augen verloren. Das lag vielleicht auch daran, dass er gestern Nacht bestätigt hatte, was ihm an der Highschool nachgesagt worden war: dass er nämlich „der beste Küsser von ganz Northbridge“ war.
In ihrem letzten Schuljahr hatte Eden zufällig auf der Toilette das Gespräch einiger Mädchen mitgehört. Eine davon hatte den anderen erzählt, dass es eine Unterlassungssünde wäre, Cam nicht wenigstens einmal im Leben geküsst zu haben. Dass jede Schülerin diese Chance vor ihrem Abschluss dringend nutzen sollte, sonst würde ihr nämlich der „beste Küsser von ganz Northbridge“ entgehen, so hatte sie sich ausgedrückt.
Eden hatte das damals völlig albern gefunden, für dummes Schulmädchengerede gehalten. Trotzdem hatte sie sich in den letzten Tagen immer wieder gefragt, ob vielleicht doch etwas dran war.
Und jetzt wusste sie, dass es stimmte. Unglaublich, was dieser Mann mit seinen Lippen anstellen konnte! Aber mit diesem Wissen sollte sie sich jetzt zufriedengeben und nicht versuchen, es noch weiter zu vertiefen. Sie musste dringend aus der Sache aussteigen, bevor es zu spät war.
Ja, genau deswegen war sie heute wieder um kurz nach drei wach geworden: Es war eine Warnung. Eine, die sie sehr ernst nehmen wollte. Schließlich reichte ihr eine Tragödie in ihrem Leben vollkommen.
Das hieß jetzt allerdings, dass sie Cam nach ihrem gemeinsamen Besuch bei ihrem Großvater nicht mehr näher an sich heranlassen würde. Ab heute Nachmittag würde sie ihn auf Abstand halten, ihn zwar immer freundlich grüßen, aber das
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