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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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seinen Hosenboden fallen. Der große Mann saß auf dem Parkett der Bühne, die Beine vorgestreckt, von Schmerz, Staunen und Ernüchterung gezeichnet. Wegmanns Augen flackerten, er war blass geworden, und Reste dunklen Blutes an einer Hand und im Gesicht ließen ihn umso jammervoller erscheinen. Metz stand wortlos, aber aufrecht in der Ecke.
    „ Ihr seid völlig außer Kontrolle. Das Mädchen hat sich fast umgebracht, und Ihr habt zugesehen. Schlager ist tot. Und was wollt Ihr mit Haller machen, wenn Ihr ihn findet? Was muss noch passieren?“ Härting sprach nicht laut, aber seine Stimme war durchdringend und von schneidender Kälte. Ich hatte ihn noch nie so reden hören.
    „ Und du -“. Er sah Metz an, der seinen Blick nicht erwiderte. „Wie verträgt sich für dich die ehrenamtliche Notfallrettung mit der Kopfgeldjagd?“
    Hä rting stieg von der Bühne herunter. „Schluss für heute. Wir gehen.“
    Langsam folgten die drei anderen.
    „Und Haller?“
    „ Und Haller? Wenn der euch nicht anzeigt und ihr eure Jobs behaltet, dann ist das mehr, als ihr verdient.“
    Es war, als habe Hä rting einen Bann gebrochen und die Verzauberung gelöst. Mit gesenkten Köpfen schlichen sie zurück in Richtung Ausgang, die Augen auf den Boden gerichtet. Härting war mir manches Mal auf die Nerven gegangen mit seinem übertriebenen Perfektionismus, seiner roboterhaften Präzision, und das war mir jetzt unangenehm, da er hier das getan hatte, was ich längst hätte tun sollen: Klare Worte finden und für die Vernunft eintreten. Ich hatte mich nicht weniger schuldig gemacht als die drei dort unten, vielleicht sogar mehr; ich hatte wirre Ideen zu einer Geschichte verwoben, die für sie zur Wirklichkeit geworden war, und ein Spiel gespielt, dass sie ernst genommen hatten. Das Bedürfnis, dem ein Ende zu bereiten, nahm überhand; ich trat aus meiner Deckung, wie schlafwandelnd oder wie befreit, schob den Vorhang beiseite und hob müde die Hand. Schon sich erkennen zu geben, brachte große Erleichterung; ich spürte, wie weich meine Beine waren.

    Die vier Männer blieben stehen und sahen zu mir herauf.
    „ Wir sollten reden, glaube ich. Auch ich habe einen großen Fehler gemacht.“
    Hä rting blieb stehen, direkt vor dem weißen Stromkabel, das noch immer sanft hin und her wippte. „Ja, wir sollten reden.“
    Sein Tonfall verwirrte mich. Er lä chelte ein kaltes Lächeln. Die anderen drei gingen weiter in Richtung Ausgang. Für einen Moment stand ich nur und versuchte mich zu konzentrieren. Da geschahen Dinge, die nicht gut zusammenpassten. Dann wurde mir klar, dass es nur eine Erklärung gab. Ich deutete zur Bühne hin.
    „ Theater, oder?“
    „ Eine kleine List.“
    „ So wie die Geschichte vom Schmuck unter dem Kirschbaum?“
    Er hob die Schultern. „ Wer weiß das schon? Es gibt so etwas wie eine höhere Wahrheit. Zeitweise dachte ich, gerade du solltest das wissen. Und wer hat gesagt, dass außer dir niemand seine Fantasie bemühen darf?“

    Für eine weitere Flucht fehlte mir die Kraft, und ohnehin betraten Wegmann, Tann und Metz schon Sekunden später die Empore. Tann grinste, Metz starrte mich nur an, und Wegmanns dunkle Augen flackerten wie gewohnt. Ich war mir fast sicher, dass Härtings Vorwürfe, auch wenn sie nicht ernst gemeint waren, ihn nicht ganz unberührt gelassen hatten, aber er würde im Kreise der Kollegen wohl darüber hinwegkommen. Sie fragten mich, wo ich mich denn versteckt gehalten habe, aha, nicht schlecht, und legten mir dann Handschellen aus Plastik an, wie wir sie für Notfälle mit aggressiven Patienten als letzte Maßnahme im Fahrzeug mitführten. Auch Härting hatte sich inzwischen zu uns gesellt. Ich sah ihn an.
    „ Das war ziemlich überzeugend. Vor allem der Schlag ins Gesicht.“
    Tann grinste schief und sah zu Hä rting hin. „Wohl eine spontane Variation von Plan B. Schauen, ob du in der Nähe bist und dich hervorlocken lässt.“
    „ Und wenn ich mich nicht gezeigt hätte?“
    Er zuckte mit den Achseln. „ Hätten wir es vielleicht anderswo noch probiert. Ich halte schon etwas aus.“
    Etwas krampfte sich in mir zusammen, und ich machte einen letzten Versuch. „Was für Euch Theater war, ist die Wahrheit. Was ihr für Wahrheit haltet, ist Theater. Ein einziger Schwindel, frei erfunden. Eine Geschichte. Eine Lüge. Ein dämliches Rollenspiel, das sich ein Freund von mir ausgedacht hat. Das ist seine letzte Botschaft, ich habe sie gefunden, oben im Turm.“ Ich zog den gelblichen

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