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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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ließ offen, worauf genau er sich bezog. „Von wem hast du die Geschichte?“
    „ Ein Kollege hat sie mir vor Jahren unter sehr ungewöhnlichen Umständen erzählt. Mehr kann ich nicht sagen. Manchmal kommt es mir so vor, als habe ich mir das nur eingebildet.“ Das gefiel mir schon wieder. „Aber dann -“
    „ Ja?“
    Ich schü ttelte den Kopf. „Nichts. Nein, eigentlich glaube ich nicht daran.“

    Ich hatte Lambertus eher immer als eine Art kleinbetrieblicher Manager gesehen, der zwar die örtliche Vertretung eines eingetragenen Vereins, einer Hilfsorganisation leitete, im Grunde genommen aber wirtschaftlich und nicht ideologisch oder gar idealistisch motiviert war. Nach unserem Gespräch wurde mir klar, dass ich ihm damit nicht gerecht wurde. Es lag seinem Handeln vielleicht nicht so sehr eine religiöse Überzeugung zu Grunde, aber doch ein gewisses Sendungsbewusstsein. Ich erinnerte mich wieder, wie eindringlich er die Notwendigkeit geschildert hatte, die Stellung des Vereins im Krankentransport und Rettungsdienst trotz erheblicher finanzieller Risiken auszubauen, und war mir plötzlich sicher, dass ihm beinahe jede Hilfe auf dem Weg zu diesem Ziel willkommen sein würde – und sei es die einer obskuren Legende.

    Auch jemand anderem war nicht entgangen, dass im einigermaßen Verborgenen – teils aufgrund der Sorge, sich lächerlich zu machen, teils um das Geheimnis zu schützen – über eine alte Geschichte gesprochen wurde, deren Ursprung dem Vernehmen nach bis zur Gründung der Severiter zurückreichte. Still und fast unsichtbar, wie sie war, hatte sie genug gehört, um zu verstehen, worum es ging.
    S eit Gelis Bitte um Hilfe zum Selbstmord im Rettungswagen hatte ich sie mit so etwas wie einem schlechten Gewissen wo möglich gemieden, auch wenn sie mir unbefangen und freundlich wie zuvor begegnete und keine Neigung zeigte, das Thema erneut anzusprechen. Im Gegenteil, sie trat ganz allgemein weniger zurückhaltend auf als zuvor, gelegentlich geradezu beschwingt, und langsam entspannte ich mich wieder in ihrer Gegenwart. Das Gespräch und ihre Bitte erschienen mir zunehmend wie ein schlechter Traum, oder zumindest als die unvermeidliche Stimmungsschwankung eines Teenagers.
    So, wie sie stets geduldet wurde – auch dann, wenn es um Vertrauliches oder Vorgesetzte oder Persönliches ging, einfach weil man wusste, dass sie nicht sprach – akzeptierte man ihre Anwesenheit auch dann, wenn die Eingeweihten des Circulus Finalis zusammensaßen. Einmal machte Metz Anstalten, sie hinauszuschicken, sah sich aber überraschend der Opposition von Tann gegenüber: „Sie weiß doch ohnehin alles, die Kleine. Aber das macht nichts. Sie gehört doch zu uns, oder?“ Er zwinkerte ihr zu. Sie nickte erst langsam, dann schneller.
    Es war ungewö hnlich für mich, die Mittel nach dem Zweck zu beurteilen, diese Krücke zu benutzen, die zur Rechtfertigung von Kriegen und Religionen dient, aber in diesem Moment dachte ich mir, vielleicht hat die Geschichte wirklich ihr Gutes. Ich hatte noch nie ein derartiges Glühen auf Gelis sonst blassen Wangen gesehen.

19
    Fast sechs Milliarden Menschen machen es schwer, originell zu sein und etwas Neues zu entdecken. Manchmal, wenn ich mir Gedanken über meinen erfundenen Mythos machte, fragte ich mich, ob ich etwas entdeckt haben konnte, das es bereits schon gab, und sei es nur in der Vorstellung. Kaum ein Gedanke, der nicht schon einmal gedacht und in die Tat umgesetzt wurde – warum nicht auch dieser? Was, wenn es wirklich jemanden wie Sarazul gegeben hatte, und meine Erfindung ihn nur unter einem anderen Namen bekannt machte, ihm ein paar neue Facetten gab?
    Was ich auf alle Fä lle versäumt hatte, war, dem Orden des Letzten Kreises, wie ich den an Bewegungsmoment gewinnenden Bund mitunter für mich nannte, eine Struktur zu geben. Vielleicht lag das an meinem zweifelhaften Verhältnis zu Autorität und Organisation.
    Dem Erfolg des Mythos schadete das allerdings nicht. Das Vakuum wurde schnell gefü llt, und zwar auf die denkbar einfachste Weise: gemäß der vorhandenen Hierarchie auf der Rettungswache. Nur ein Problem gab es, und das war ich. Eigentlich durfte man mich in der nirgendwo niedergeschriebenen, aber von allen akzeptierten Rangfolge höchstens im Mittelfeld ansiedeln: Einerseits war ich zwar ausgebildeter Rettungsassistent und stand zudem auch in dem besonderen Ruf, interessante Einsätze anzuziehen , andererseits aber stufte man mich als eher ungesellig und mäßig

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