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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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sie auch nur auf Verdacht hier. Gerade Metz schien in den letzten Wochen eine Scharfsichtigkeit entwickelt zu haben, die ich zuvor noch nie an ihm bemerkt hatte. Die Schritte näherten sich allmählich. Zwei Gestalten. So schnell, wie es die Vorsicht gestattete, stieg ich vom Dach herunter. Es gab ein dumpfes Geräusch, als ich das letzte Stück sprang, die Höhe unterschätzend. Geduckt schlich ich mich am Bach weiter ins Tal hinein, in der Hoffnung, das Wasser werde jedes weitere Geräusch schlucken.
    Nicht mehr als zwanzig M eter von mir entfernt wurde eine Taschenlampe eingeschaltet. Die beiden Gestalten beugten sich zurück und sahen nach oben. Der Lichtkegel glitt vom Dach herunter und wie absichtslos durchs Geäst.
    Mit schnellen Schritten ü berquerte ich den Weg oberhalb der Mühle. Ich sah noch, wie die eine Gestalt sich halb aufrichtete, als lausche sie. Etwas versetzt, an einer Stelle, an der niedriges Brennnesselgestrüpp den weichen Boden verbarg und keine Spuren preisgeben würde, trat ich zwischen die Bäume. Ohne mich noch einmal umzusehen, schlug ich, nach Gefühl und so gut es ging, eine Richtung von zweihundertundfünfzehn Grad ein.

27
    Der Boden war aufgeweicht und teilweise beinahe sumpfig, aber ich kam gut voran. Erst als der Schein der Taschenlampe nicht mehr als Schimmer zwischen den kahlen Baumstämmen zu ahnen war, sah ich mich um, nahm den Kompass hervor und korrigierte die Marschrichtung. Natürlich war es möglich, dass ich längst an einem Versteck vorbeigestolpert war, in mehr oder weniger großem Abstand. Dunkel erinnerte ich mich an Begriffe wie Missweisung und Präzession, die berücksichtigt werden mussten und die die Genauigkeit des Magnetkompasses beeinträchtigen konnten. Trotzdem war ich im Grunde davon überzeugt, dass das kleinliche Gedanken waren, und dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.
    Schneller als erwartet erreichte ich den Rand des Waldes und eine Straß e. Wir tragen eine eigene, verzerrte Geographie im Kartenschrank unseres Kopfes mit uns herum; hier war ich schon gefahren, ohne groß Notiz von der Umgebung zu nehmen, aber jetzt wirkte die Landschaft fremd und verwirrend.
    Jenseits der Straß e folgte wieder ein Stück Wald, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich in der Dunkelheit zufällig über ein Versteck stolpern würde, war gering. Ich brauchte einen Plan. Einen Stadtplan.
    Mit schnellen Schritten folgte ich der Straß e, besorgt auf jedes Motorengeräusch horchend, und bereit, entweder schnell zu verschwinden, oder aber ein Taxi anzuhalten. Drei Autos passierten mich, der Mazda war nicht dabei. Das vierte war ein freies Taxi, das ließ ich als glückliche Fügung gelten.
    Der Fahrer, selbst etwas zerknittert anzusehen, musterte mich mit einigem Widerwillen, nass und mit schlammigen Schuhen, wie ich am Straß enrand stand, reichte mir dann einen Teil seiner Zeitung mit der Bitte, die doch zumindest im Fußraum auszubreiten. Wohin, wollte er wissen. Ich bat um einen Stadtplan und wies ihn an, die Uhr zu starten, während ich mich mit der Patentfaltung auseinandersetzte.
    Im Licht der Innenbeleu chtung, den Kompass in der Hand, versuchte ich, so genau als möglich eine Linie zu ziehen, von der Mühle weg in Richtung Süd-Südwest, zweihundertfünfzehn Grad. Felder, Neubaugebiete, Bahngleise, sogar meine ehemalige Schule, dann die alte Kirche. Ein Stück durch eine Fußgängerzone, vielleicht, dann wieder Wohngebiete, ein Friedhof. Grünflächen. Wohngebiete. Das Klärwerk. Dann sich verschlingende Autobahnen und der Fluss. Der Wasserturm, meine erste Vermutung, blieb ein Stück südlich; nicht weit, aber doch deutlich. Ich beschloss, es mit der alten Kirche unweit der Schule zu versuchen.
    In dem Moment, als ich die Karte herunternahm, um sie wieder zusammenzufalten, was sich als noch schwieriger erwies als der umgekehrte Vorgang – in diesem Moment passierte uns der rote Mazda. Wir standen schon eine ganze Weile am Straßenrand, und es war nicht unvorstellbar, dass sie im Vorbeifahren einen Blick ins Wageninnere geworfen und mich erkannt hatten. Etwa zweihundert Meter weiter vorne sah ich die Bremsleuchten des Mazdas aufglühen und hielt den Atem an, aber dann verschwanden sie in der folgenden Kurve.
    „ Also?“, fragte der Taxifahrer.
    „ Die alte Kirche. Und tun Sie mir bitte einen Gefallen.“ Das war ein spontaner Einfall.
    „ Jeden“, sagte er mit unverhohlenem Sarkasmus.
    „ Fahren Sie nicht direkt dorthin. Lassen Sie uns hier wenden, und

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