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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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gegenseitiges Misstrauen vergessen. Nicht einmal daran, dass all das nur fabriziert war, dachte ich.
    Wohl waren wir auf w eitere Rätsel gefasst, auf unverständliche Texte oder Geheimschrift, aber zumindest erwarteten wir etwas Konkretes, das uns herausforderte. Stattdessen geometrische Muster, hauptsächlich aus rechtwinkligen Geraden bestehend, aber auch mit ein paar Schrägen und Rundungen. Jeder der Striche war sehr schmal, dennoch unterschieden die Linien sich erkennbar in ihrer Stärke. Es sah aus, als habe jemand mit verschiedenen, sehr feinen Tuschefedern gearbeitet.
    Nicht irgendjemand, erinnerte ich mich endlich. Siad.

    N ach einer Minute angestrengten Schweigens war klar, dass die Bedeutung dieser Zeichnung sich uns nicht so ohne weiteres erschließen würde. Metz äußerte die Vermutung, dass sich am nächsten Fundort eine Art Erklärung, der Schlüssel zu der Zeichnung finden würde, aber das warf nur die Frage auf, wie es von hier aus ohne Richtungshinweis weitergehen sollte. Ich schwieg dazu erschöpft, unfähig, weiter Enthusiasmus zu empfinden oder vorzutäuschen. Anska holte aus dem Auto einen Stadtplan, während Metz mich nicht aus den Augen ließ.

    Vielleicht die Blickrichtung des allsehenden Auges, schlug Anska vor; es musste einen Grund geben, warum gerade dieses eine Zeichen ausgewählt worden war. Zu ungenau, entgegnete ich und erklärte ihnen meine Theorie, dass selbst ein präziserer Wegweiser nur auf ein Ziel in geringer Nähe zeigen kann - es sei denn, es wäre so auffallend, dass eine grobe Richtungsbestimmung reichte. Metz zeichnete eine Linie in den Stadtplan, fand aber nichts in ihrem Weg, was seine Fantasie anregte.

    „Dann vielleicht das Dreieck.“ Aber das war gleichschenklig, und weder ein Bezug zu den anderen Symbolen noch zum Kirchenbau ließ eine der Spitzen hervorgehoben erscheinen. Ein im zunehmenden Maße frustrierter Metz zeichnete drei weitere Linien auf dem Stadtplan ein.
    „ Wir könnten uns aufteilen“, schlug Anska vor.
    Diese Wahnsinnigen, sie wollen wirklich heute noch weitersuchen , dachte ich. Doch Metz wies den Vorschlag mit einer knappen Handbewegung zurück.
    „ Wir müssen etwas übersehen haben. Ich kann einfach nicht glauben, dass wir auf gut Glück losgehen sollen.“
    Etwas an diesem ich kann einfach nicht glauben bereitete mir Unbehagen, aber ich dachte an Siad und war mir fast sicher, dass Metz Recht hatte. Ich betrachtete mir das kleine Loch im Fußboden und legte die Dose mit der eingravierten, sichelförmigen Pupille wieder hinein. Aber die war beweglich und konnte kein verlässlicher Wegweiser sein. Drehte man die Dose so, dass die Sichel unten lag, dann wurde die vage Ähnlichkeit mit der Pupille des Auges noch undeutlicher. Am Äquator, erinnerte ich mich, liegt der Mond auf dem Rücken.

    Das war die Verbindung.
    Die Sichel des Mondes, Symbol fü r den Islam.
    Mir fiel wieder ein, dass auf einem Regal in Siads Studentenheimzimmer eine kleine Holzfigur stand, die einen bet enden Moslem darstellte und, wie Siad behauptete, nach Mekka ausgerichtet war. „Als Ersatz, wenn ich beschäftigt bin und selbst nicht beten kann“, und ich wusste ja, dass er fast immer beschäftigt war. Er ließ offen, wie ernst er das tatsächlich nahm.
    Die Sichel war der Hinweis: Eine der Spitzen des Dreiecks deutete grob nach Südost, und ich war mir fast sicher, dass sie im Rahmen des Möglichen genau nach Mekka zeigte. Das entsprach seinem Humor: Die unauffällige Bereicherung des katholischen Interieurs um eine islamische Referenz. Ich erklärte Metz und Anska meine Vermutung. Sie waren sofort überzeugt.
    „ Wie bist du nur darauf gekommen?“
    Fast hä tte ich mich verraten. „Si... Sarazul“, stotterte ich nur. „War ja vor seiner Konvertierung Moslem.“
    Das reichte ih nen als Erklärung.

    Noch einmal wurde mit dem Kompass der Winkel der fraglichen Spitze bestimmt und mit größtmöglicher Genauigkeit ein Strich auf dem Stadtplan gezogen; doch das Ergebnis war nach wie vor enttäuschend. Die Linie zog sich ein kurzes Stück weit durch die Innenstadt, dann über Gleise zum Eisenbahn-Ausbesserungswerk, durch ein Industriegebiet, einen schmalen Streifen Wald, unvermeidlicherweise über die Autobahn, dann den Segelflugplatz – so ging es weiter. Nichts, woran die Phantasie sich hätte entzünden können. Wir kontrollierten die Winkelmessung. Ich spürte Müdigkeit und schlug vor, anderntags weiterzusuchen, auch brauchte ich Zeit zum Nachdenken.
    Aber

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