Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
Vom Netzwerk:
dann die Bundesstraße nehmen.“
    Er nahm sein Funkgerä t und meldete mit einem Seufzer, „zur alten Kirche, ein Fahrgast, wird etwas dauern, weil der Herr Umwege fahren möchte.“ Ich dankte ihm.
    „ Von mir aus können wir auch auf der anderen Seite des Flusses fahren. Nur zahlen müssen Sie es mir.“ Dann trat er aufs Gaspedal.

    Die alte Kirche war eigentlich nicht sonderlich alt, das vermutete ich jedenfalls: Ein Backsteinbau mit einem Turm, der vielleicht auf weiter zurückliegende, gotisch beeinflusste Epochen zurückzublicken konnte, und ein Portal ähnlichen Stils. Die Bezeichnung rührte in erster Linie daher, dass sie sich mit ihrem ziegelbraunen, im Regen düsteren Erscheinungsbild deutlich von den modernen, meist protestantischen Bauten mit ihren Betonwänden und kubistischen Strukturen abhob. Der Glaube hat viele Gesichter, ganz offensichtlich; die alte Kirche war eines seiner strengeren.

    Im gleichmäßig fallenden Regen ging ich zweimal im Uhrzeigersinn um den Bau herum, ohne irgendeine Auffälligkeit zu finden. Zwar war kaum ein Mensch auf der Straße zu sehen, aber das erhöhte nur die Gefahr, aufzufallen, und so trat ich ein. Wenn es etwas zu finden gab, das von Siad manipuliert oder versteckt worden war, befand es sich vielleicht ohnehin im Innenraum.
    Der war kü hl, aber immerhin trocken. Erhellt von im Luftzug der Tür flackernden Kerzen und kugelförmigen Lampen, die kaum Licht zwischen die tiefen Schatten der Kirchbänke brachten. Langsam schritt ich durch den Mittelgang nach vorne, auf den Altar zu, und ließ meinen Blick schweifen. Alles machte den Eindruck, ganz so zu sein, wie es gehörte. Mit einer Ausnahme: Im Schatten der Empore, aber deutlich zu erkennen, standen Metz und Anska.

    Sie mussten durch eine Seitentür hereingekommen sein, denn sonst hätte ich sie eher gesehen. Vielleicht waren sie auch schon vor mir eingetreten. Langsam näherten sie sich mir.
    Es war nicht leicht, die Gedanken zu ordnen. Das waren meine Kollegen, mit denen ich zusammenarbe itete und denen ich im beruflichen Alltag vertraute. Und doch fühlte ich mich bedroht, war vor ihnen geflohen und jetzt gestellt worden. Dass meine Erfindung einen düsteren Aspekt hatte, war mir schon früher bewusst geworden. Es kam mir so vor, als läge die Erkenntnis lange zurück, aber eigentlich war sie erst ein paar Tage alt. Jetzt erreichte sie eine neue Qualität: Bisher hatte ich nur eine unscharfe Sorge gespürt, das Wohl unserer Patienten betreffend. Jetzt nahm ich die Bedrohung selbst wahr. Und doch verharrte ich in der Distanz, sah vor meinem geistigen Auge die Szene wie von oben, wie beim Blick auf ein Schachbrett: die Zwei von rechts, aus dem Schatten herantretend, der eine am Rand sie erwartend. Ich spürte einen Impuls, der zur Flucht drängte, aber aus der Entfernung entschied ich mich dafür, ihnen so selbstverständlich und unbeeindruckt zu begegnen wie möglich. Trotz der Frage, die mich so sehr beschäftigte: Wie hatten sie mich nur so schnell gefunden?

    „Waren wir nicht verabredet?“ Metz fragte das, und er fragte es mit Recht.
    Ich machte eine ungewisse Handbewegung. „ Tut mir leid, ja natürlich. Es gab da eine Idee, der ich sofort nachgehen wollte, und da habe ich nicht mehr daran gedacht.“
    Mit gleichgü ltigem Gesicht wartete ich ab. Im Grunde gab es nicht viel zu erklären, und ein Mehr an Worten würde die Lüge nicht besser machen. Entweder sie glaubten mir, oder sie glaubten mir nicht.
    „ Und jetzt bist du hier.“
    „ Und Ihr auch.“
    „ Was hat dich hergeführt?“
    „ Der Wetterhahn. Er zeigt immer in die gleiche Richtung. Hierher. Vielleicht.“
    Nach der Lü ge entschied ich mich für ein bisschen Wahrheit, zumal mir keine plausible Geschichte einfiel. Das gab mir den Mut zu einer Gegenfrage: „Und was hat Euch hierher geführt?“
    Anska zog einen Scanner aus der Tasche s einer dunklen Jacke, ein Empfangsgerät für normalerweise unzugängliche Frequenzen. „Der Taxifunk!“ grinste er mit so etwas wie handwerklichem Stolz.
    Trotz des Scanners war mir das unheimlich, denn es erforderte ein beachtliches Maß an Intuition und Voraussicht. Wieder zeigte sich insbesondere Metz auf eine unerfreuliche und unerwartete Weise scharfsichtig. Da hätte ich wohl auch mit dem Bus fahren können. Aus einem unbestimmten Unbehagen heraus war ich vor ihnen geflohen; jetzt ahnte ich zum ersten Mal, dass die Angelegenheit möglicherweise aus dem Ruder lief. Ich ertappte mich bei dem

Weitere Kostenlose Bücher