Circus
Uhr los. Bitte seien Sie um sechs Uhr abends in Ihrer Kabine. Um diese Zeit wird der Zahlmeister kommen, um mit Ihnen die Sitzordnung oder so was zu besprechen. Er ist zwar wirklich Zahlmeister, aber er ist auch noch etwas anderes – sozusagen ein Kammerjäger, denn er wird dafür sorgen, daß etwaig vorhandene Wanzen aus Ihrer Kabine verschwinden.« Bruno schwieg. »Diesmal finden Sie es wohl nicht mehr melodramatisch, wie?«
»Doch«, sagte Bruno müde, »aber es nützt gar nichts, es zu sagen. Warum um alles in der Welt sollte irgend jemand Wanzen in meine Kabine einbauen? Ich bin in keiner Hinsicht verdächtig. Aber ich fürchte, wenn Sie und Harper dieses Schmierentheater noch lange weiterspielen, dann werde ich es bald sein. Warum waren Wanzen in Wrinfields Büro? Warum mußten zwei Männer mein Abteil im Zug nach Abhörgeräten absuchen? Und warum kommt jetzt dieser Kerl! Allmählich muß auch der naivste Beobachter zu der Vermutung kommen, daß ich vielleicht noch etwas anderes bin als nur ein Circusartist. Es werden viel zu viele Menschen auf mich aufmerksam. Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Bitte! Es besteht kein Grund, so wütend zu werden …«
»Ach nein, wirklich nicht? Das ist Ihre Meinung. Und lassen Sie Ihr besänftigendes Getue.«
»Hören Sie zu, Bruno: Ich bin nur der Nachrichtenübermittler. Es gibt natürlich keinen Grund für irgend jemanden, Sie in irgendeiner Hinsicht zu verdächtigen. Aber wir haben es mit einer ausgesprochen fähigen und besonders mißtrauischen Geheimpolizei zu tun, die auch nicht die unwahrscheinlichste Möglichkeit außer acht lassen wird. Schließlich befindet sich das, was wir haben wollen, in Crau. Sie wurden in Crau geboren. Und unsere lieben Feinde werden wissen, daß Sie das stärkstmögliche Motiv haben, ihnen eins auszuwischen: Rache! Schließlich haben sie Ihre Frau umgebracht …«
Bruno sagte aufgebracht:
»Halten Sie den Mund!« Maria zuckte unter seiner plötzlich messerscharfen Stimme wie unter einem Peitschenhieb zusammen. »Seit sechseinhalb Jahren hat sie niemand mehr mir gegenüber erwähnt. Wenn Sie meine tote Frau noch einmal ins Spiel bringen, steige ich aus und überlasse es Ihnen, Ihrem geschätzten Chef zu erklären, daß es Ihre schlechten Manieren, Ihre völlige Gefühlslosigkeit und Ihre unglaubliche Taktlosigkeit waren, die den Plan zum Scheitern brachten. Haben Sie mich verstanden?«
»Ich habe Sie verstanden.« Sie saß blaß auf ihrem Stuhl und versuchte vergeblich, daß Ausmaß ihres Fehlers zu begreifen. Langsam fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. »Es tut mir leid. Es war sehr dumm von mir.« Aber sie wußte immer noch nicht, warum es dumm gewesen war. »Aber ich verspreche Ihnen, daß es nie wieder vorkommen wird.«
Er schwieg.
»Dr. Harper läßt Sie bitten, um halb sieben Uhr abends vor Ihrer Kabine am Fuß der Kajüttreppe auf dem Fußboden zu sitzen – Sie sind heruntergefallen und haben sich den Knöchel verstaucht. Sie werden gefunden und zu Ihrer Kabine gebracht werden. Dr. Harper wird selbstverständlich sofort zur Stelle sein. Er möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit die Details der Operation bekanntgeben.«
»Hat er Ihnen schon etwas gesagt?« Brunos Stimme war immer noch eiskalt.
»Nein, überhaupt nicht. Und wie ich ihn kenne, wird er Ihnen einschärfen, mir auch nichts zu sagen.«
»Ich werde tun, was Sie sagen. Und jetzt, da Sie Ihren Auftrag ausgeführt haben, können wir ja wohl aufbrechen. Sie werden natürlich wieder getreulich den Spielregeln mit drei Taxis fahren – ich werde mich auf eins beschränken und damit auf dem schnellsten Weg zum Schiff zurückkehren. Es ist billiger und geht schneller. Zum Teufel mit dem CIA.«
Sie streckte die Hand aus und berührte vorsichtig seinen Arm.
»Ich habe mich entschuldigt. Und es war mir ernst damit. Wie oft werde ich mich noch entschuldigen müssen?« Als er nicht antwortete, lächelte sie ihn an, und ihr Lächeln war ebenso vorsichtig wie ihre Handbewegung. »Man sollte doch annehmen, daß ein Mann, der so viel verdient wie Sie, es sich leisten kann, ein armes, arbeitendes Mädchen wie mich zu einer warmen Mahlzeit einzuladen. Bitte bleiben Sie. Ich möchte nicht zurück zum Schiff. Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Es … es ist nur ein … ach, ich weiß wirklich nicht. Ich möchte nur wieder alles in Ordnung bringen.«
»Sie sind wirklich albern.« Er seufzte, griff nach der Speisekarte und gab sie ihr.
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