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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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über ihren Köpfen hing.
    Als Cirrus ein Schwall seines üblen Atems streifte, wich er zurück. Wieder fiel ihm der feine schwarze Punkt auf Mr Leechcrafts Zunge auf – als hätte er die Zungenspitze in Tinte getaucht.
    »Nun, Abraham«, sagte Mr Leechcraft. »Dann sieh zu, dass unser neuster Junge angemessen zurechtgemacht wird – eins der alten Kostüme wird reichen, das von Ezra vielleicht –, und führe ihn durch das Museum. Morgen werden wir ihn mit der Arbeit vertraut machen und ihm die Seile zeigen.«
    »Ja, Sir«, sagte Bottle Top, nahm Cirrus am Ellbogen und dirigierte ihn die nächste Treppe hinauf.
    Sobald sie außer Sicht waren, zog Cirrus seinen Freund beiseite. Ein seegrüner Vorhang hing in silbrig schimmernden Falten vor einer Tür zu seiner Rechten. Mit bizarren Objekten bestückte Glaskästen erstreckten sich zu Hunderten vor seinen Augen.
    »Danke, dass du mir geholfen hast«, sprudelte Cirrus hervor. »Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn du nicht gewesen wärst.«
    Bottle Top zog die Schultern hoch. »Nicht der Rede wert«, sagte er. »Du hättest für mich dasselbe getan.«
    Wieder betrachtete Cirrus seinen Freund: die vornehmen Kleider, die nagelneuen Zähne, die Pferdehaarperücke auf seinem Kopf. Er sah wie ein richtiger Herr aus.
    »Woher hast du das Geld?«, fragte er plötzlich neugierig.
    Bottle Top sah die Treppe hinauf und hinab und wurde rot.
    »Das geben mir die Damen«, sagte er.
    »Sie geben es dir? Wofür?«
    Bottle Top zögerte. »Für Küsse«, sagte er.
    »Sie küssen dich?«, sagte Cirrus schockiert und rümpfte die Nase. Dann musste er lachen.
    Bottle Top lief rot an vor Zorn. »Das ist nicht komisch«, rief er. »Ich bin ›Cupido mit dem Funkenkuss‹, der Höhepunkt der ganzen Vorführung! Frag Mr Leechcraft.«
    Cirrus hörte zu grinsen auf. »Tut mir leid«, sagte er aufrichtig. »Ich wollt dich nicht kränken.« Er spuckte in die Hand und streckte sie Bottle Top hin. »Sind wir Freunde?«
    Stirnrunzelnd blickte Bottle Top auf Cirrus’ schmutzige Hand, aber dann schlug er ein, und sie schüttelten sich die Hände.
    Als sie hinter sich Mr Leechcraft die Treppe heraufkommen sahen, stiegen sie eilig weiter hinauf. Statt der eleganten Vorhänge und der Trophäen, mit denen unten der Hauptsaal in Hülle und Fülle ausgestattet war, waren die Flure hier oben kahl, und von den Wänden bröckelte der Putz. Wo sich einst Spiegel und Bilder befunden hatten, sah man Flecken an den Wänden. Türen waren aus den Angeln genommen worden.
    Zuletzt kamen sie zu einem Raum ganz oben im Haus. Er sah so ähnlich aus wie der Jungenschlafsaal im Heim, nur mit weniger Betten und weniger Jungen. Vier Jungen, nackt von der Taille aufwärts, balgten sich auf zwei in die Ecke gezwängten Himmelbetten. Der Boden war mit Kleidungsstücken übersät.
    »Das ist Cirrus«, stellte Bottle Top vor. »Und das hier sind Micah, Daniel, Ezekiel und Job. Die Seltenen Jungen.«
    »Beseelten Jungen, du Esel«, sagte einer der Älteren und warf Bottle Top ein Kissen an den Kopf.
    Wie Cirrus feststellte, waren sie alle vier schmächtig, fast mager, und man sah an ihren bitteren Gesichtszügen, dass sie daran gewöhnt waren, selber für sich zu sorgen. Der Junge, der gesprochen hatte, hatte feine weiße Narben auf den Wangen – wie Kiemen.
    »Kümmere dich nicht um Micah«, sagte Bottle Top leise. »Er ist nur sauer, weil ich jetzt die neue Attraktion bin.«
    »Was ist mit seinem Gesicht?«, fragte Cirrus flüsternd, während die anderen Jungen sich wieder ihrem Ringkampf widmeten.
    »Ein Unfall vor ein paar Jahren, so viel ich weiß«, sagte Bottle Top. »In einer Vorstellung ist eine leuchtende Glaskugel über seinem Kopf zerbrochen und hat sein Gesicht in Fetzen gerissen. Aber ich habe gehört, er soll vorher noch schlimmer ausgesehen haben.«
    Schaudernd grübelte Cirrus, was Bottle Top wohl damit meinte, und folgte seinem Freund zu einem klapprigen Waschtisch am Fenster, auf dem eine Schüssel mit kaltem Wasser stand.
    Er betrachtete sich in einem fleckigen Wandspiegel. Jacke und Gesicht waren voller Dreck, und er machte sich daran, das Gröbste abzuwaschen. Er war müde und zerschrammt, aber auch seltsam stolz auf seine Kampfwunden. Wo das Messer von Halsabschneider-Charlie über seine Wange geratscht war, sah man einen blutigen dünnen Strich.
    Er trocknete sich mit seinem Hemdsaum ab, während Bottle Top zwischen den Kleidungsstücken auf dem Boden herumsuchte.
    Endlich hatte er ein passendes

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