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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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Achselhöhlen schmerzten, ihre Füße fanden keinen Halt. Dann spürte sie erleichtert, dass es ihm allmählich gelang, sie ins Innere zu ziehen. Er hievte sie über den Korbrand, sie ließ sich fallen und landete auf einem Haufen stinkender Decken.
    Pandora blieb still liegen, rang mit offenem Mund nach Atem, ihr Herz raste. Wind pfiff zwischen den Weidenruten des schwankenden Korbes hindurch, die Seile knarrten und scheuerten. Pandora spürte, dass sie schnell an Höhe gewannen. Sie fühlte sich schwindlig und benommen.
    Langsam, mit zittrigen Beinen, rappelte sie sich auf.
    Sie schwebten jetzt hoch über der Stadt. Unter ihnen glitten die Dächer vorbei wie grauer Meeresboden, während über ihnen aufgewühlte Wolken trieben, aus denen Donner grollte. Ein Sturm lauerte am Horizont. Pandora erkannte die Themse, die sich durch ihr Flussbett wälzte.
    Der Mann stand neben einem schlanken Mast in der Mitte des Korbes, und indem er sein Gewicht abwechselnd von einer Seite auf die andere verlagerte, glitt sein Gefährt auf den Luftströmungen dahin wie auf Wellen. Er trug eine dunkelblaue Jacke mit einer weiten, über den Rücken herabhängenden Kapuze. Wie alles an ihm war auch die Jacke mit einer dicken Dreckschicht überzogen. Auf dem Kopf hatte er einen Dreispitz, und seine Kniehosen waren aus einer Art graubraunem Leder.
    Mit jedem Flügelschlag des Vogels flammte Feuer über ihm auf, und Pandora schaute hinauf zu dem majestätischen Wesen, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Der Vogel saß am oberen Ende der Stange, direkt unter der Öffnung der großen aufgeblähten Stoffkuppel. Ein prachtvolles Tier! Nie hatte sie etwas so Anmutiges und doch Wildes gesehen. Seine Flügel schienen in Flammen zu stehen, und hin und wieder verlor er eine Feder, die wie ein rot glühender Funke durch die Luft schwebte, langsam die Farbe verlor und sich schließlich in ein Aschehäufchen auflöste.
    »Muss der aber stark sein«, überlegte Pandora laut, »dass er uns so durch die Luft tragen kann.«
    Der Mann betrachtete sie neugierig. »Ja, das stimmt«, sagte er. »Alerion ist ein unglaublich starkes Wesen. Aber es ist nicht allein Muskelkraft, die uns trägt. Es ist auch Luftkraft.«
    »Luftkraft?«, wiederholte Pandora verständnislos.
    Der Mann nickte. »Warme Luft steigt hoch, verstehst du? Und in diesem Segel sammelt sich die heiße Luft, die von dem Vogel aufsteigt. Es funktioniert wie das Großsegel auf einem Schiff, das den Wind einfängt. Nur dass es hier die heiße Luft unter dem Segel ist, die uns in der Schwebe hält und über die Stadt trägt. Immer nahe bei Sonne und Mond.«
    »Ein Mondsegel?« Pandora verstand nicht, was er meinte. Sie starrte das glänzende Segel an. Es schien aus Hunderten von Stoffstücken zu bestehen, alle aneinandergenäht und wie mit einer harzigen Glasur überzogen.
    Wieder sah der Mann sie nachdenklich an. »Na gut, ein Mondsegel«, sagte er lachend. »Das trifft es ungefähr.«
    Eine plötzliche Windbö drückte sie seitwärts, der Korb schwankte heftig, und Pandora konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und prallte gegen den Mann. Sie sog seinen schweren erdigen Geruch ein: eine Mischung aus Rauch, Teer und etwas Fremdem. Der Geruch nach fernen Ländern.
    Sie musterte ihn neugierig. Woher mochte er wohl kommen und wieso kannte er den Jungen? Zum ersten Mal fielen ihr die sonderbaren Zeichen in seinem Gesicht auf: Schlingen, Spiralen und Punkte waren hier und da unter einer Dreckschicht zu erkennen. Seine Augen aber waren freundlich – von zartem Blau, wie Vogeleier in einem Nest.
    Der Mann stellte sie wieder auf die Füße. »Vorsicht«, sagte er. »Sonst heißt’s: Mädchen über Bord! Noch will ich dich ja nicht loswerden. Erst musst du mir zeigen, wo ich den Jungen finde!«
    Ihr Mut sank, als sie über die dunkle Stadt blickte. Es war schwer, überhaupt etwas zu erkennen, geschweige denn einen Park mit einem Platz und einer goldenen Statue. Graue Schluchten zogen unter ihnen vorbei.
    »Also, wegen dem Jungen«, fing sie an. »Ganz genau weiß ich nicht, wo er ist. Gestern, als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er in einem Park. Es war ein Park mit einer Reiterstatue darin.«
    Der Mann sah sie eine Weile an, dann seufzte er tief.
    »Tja, das habe ich befürchtet«, sagte er. »So ein Park kann überall sein, Kind. Ich wusste, dass es ein Fehler war, dich mitzunehmen.«
    Er verlagerte sein Gewicht, und das Luftfahrzeug drehte vom Fluss ab Richtung Norden.
    »Wohin fliegen

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