City of Death - Blutfehde (German Edition)
glasigen Blick, als sei sie bekifft.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, ja, das ist nur der Nachklang des Blutaustausches«, sagte sie.
Chane sah uns mit ausgefahrenen Fangzähnen an.
»Ich glaube, da hat jemand Hunger«, bemerkte ich.
»Du darfst essen gehen«, sagte meine Mutter mit einer wegwerfenden Handbewegung – das ließ er sich nicht zwei Mal sagen.
Ich beobachtete meine Mutter. »Also, ich spüre gar nichts.«
Sie sah mich träge lächelnd an. »Oh, das kommt noch. In ein, zwei Tagen solltest du die Veränderungen spüren.«
»War‘s das jetzt? Bin ich jetzt dein Diener?«
Sie nickte. »Du wirkst enttäuscht.«
»Na ja, ich hatte mir etwas Spektakuläreres vorgestellt, aber enttäuscht bin ich nicht.«
Wir saßen noch die halbe Nacht und sprachen über mögliche Auswirkungen und wie es jetzt mit uns weitergehen sollte. So wie es aussah, würde ich tatsächlich nur Vorteile aus unserem Bündnis ziehen, außerdem versprachen wir uns jetzt öfter zu treffen und zu telefonieren.
Um halb elf kam mein Zug, meine Mutter fuhr mich zum Bahnhof. Wir drückten uns zum Abschied, und ich fühlte mich richtig wohl, als ich in den Zug stieg. Als hätte ich seit langem einen Teil von mir wiedergefunden.
Um drei Uhr kam ich in Berlin am Hauptbahnhof an und eilte zu meinem Wagen – ich musste unbedingt ins Bett. Heute würde unsere Lernrunde nämlich schon um zehn Uhr beginnen, und ich wollte noch so lange wie möglich schlafen. Am Tor begrüßte mich Toni und ließ mich passieren. Er informierte mich, dass Will im Drake zu finden war, wenn ich etwas von ihm wollte. Ich bedankte
mich und eilte in mein Zimmer. Sachen aus, in die Ecke geschmissen, und schon lag ich im Bett. Ich seufzte erleichtert und schlief sofort ein.
Mein Wecker klingelte um halb neun. Für gewöhnlich stand ich gern eineinhalb Stunden früher auf, damit ich mich in Ruhe waschen und Hagebuttentee trinken konnte, aber ich war echt erschöpft gewesen. Als ich nun in meinen Körper hineinlauschte, fühlte ich mich ausgesprochen ausgeschlafen und fit. Waren das bereits erste Veränderungen? Ich eilte in die Küche. Philipp war nicht da, und setzte Wasser auf. Dann bereitete ich eine Tasse Hagebuttentee vor, schmierte mir drei Brötchen und goss das Wasser auf. Schließlich ließ ich mich vor dem Fernseher nieder, frühstückte und schaute Nachrichten.
»… wurde in der vergangenen Nacht eine offenbar Jahrhunderte alte männliche Leiche im Paul-Mebes-Park gefunden.«
Ich verschluckte mich an meinem Brötchen und schaltete den Fernseher lauter.
»Die Identität und das Alter des Toten sind zunächst unklar. Auch ist noch nicht bekannt, ob sie am Fundort getötet wurde, oder ob der Leichnam nach der Ermordung dort hingeschafft wurde. Die Spurensicherung riegelte den gesamten Park ab, eine Obduktion der Leiche soll noch heute erfolgen.«
Ich schlang meine Brötchen hinunter und zog mich an. Der Paul-Mebes-Park befand sich in Steglitz-Zehlendorf, im Bezirk von Gregor. Dass er sich in letzter Zeit nachlässig verhielt, war schon länger bekannt. Alle wussten vom Verlust seiner menschlichen Frau und dass er immer noch trauerte. Sollte so etwas jedoch öfter vorkommen, waren die Scharfrichter für gewöhnlich sehr schnell vor Ort und eliminierten den Ranger. Das kam zwar nicht oft vor; in Berlin zumindest wurde, soweit ich wusste, noch nie ein Ranger hingerichtet, aber ihre oberste Priorität, ja die der gesamten Paras war es, für den Rest der Welt unsichtbar zu sein. Ich würde nachher mal Will fragen, er wusste bestimmt mehr.
Nach der Uni fuhr ich mit Stacy zu meiner Wohnung, um meine Pflanzen zu besuchen und zu schauen, wie sie hauste. Dass sie nämlich wieder herumalberte, musste nicht unbedingt heißen, dass sie über den Tod ihres Stiefvaters hinweg war – auch wenn sich die beiden nie leiden konnten.
Stacy hatte mir einen neuen Elefantenfuß gekauft, den sie mir stolz zeigte. Er war schön, wenn auch nur halb so groß wie der vorherige – ich würde ihn erneut acht Jahre aufziehen müssen. Stacy hielt meine Wohnung in einem Top-Zustand, und ich zog schon ernsthaft in Erwägung, sie als Putzfrau einzustellen.
»Für eine Zweizimmerwohnung?«, fragte sie zweifelnd.
Ich hob die Schultern, und wir machten uns ans Lernen.
Vier Stunden später war mir schon leicht schwindelig von dem ganzen Input. Ich beneidete Stacy für ihre Klugheit. Für sie war das Studium der reinste Klacks. Ich verabschiedete mich von meiner Freundin und informierte
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