City of Death - Blutiges Erbe (German Edition)
Büro.
»Gehen wir schon mal raus«, schlug Odelia vor und führte mich aus der Polizeiwache.
Der Himmel war sternenklar, die Temperaturen kühl, und ich bekam sofort eine Gänsehaut, als wir über den Parkplatz spazierten. Ich sagte jedoch nichts, denn auf keinen Fall wollte ich noch einmal da rein. Will würde meine Sachen schon mitbringen. Wir blieben vor einem schwarz glänzenden Hummer stehen, und während Odelias Schülerinnen in das monströse Auto stiegen, versuchte ich, mir die zerbrechlich wirkende alte Frau am Steuer vorzustellen. Es gelang mir nicht.
»Wie haben Sie so schnell von der Sache erfahren?«, fragte ich und rieb mir die Arme.
Odelia sah mich fast mitleidig an. »Schätzchen, Sie sind überall in den Nachrichten. Die Medien berichten von nichts anderem.«
Klasse! Genau das, was ich mir erhofft hatte! »Ihre Verzauberung«, sagte ich und deutete auf die Polizeiwache »... ist sicher nicht billig. Was bin ich Ihnen schuldig?«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Mr. Drake wird dafür aufkommen.«
Hatte ich mich eben verhört? »Ganz bestimmt nicht. Selbstverständlich werde ich für Ihre Dienste aufkommen.«
Sie sah mich überrascht an. »Aber er hat mir bereits den Scheck ausgehändigt.«
»Dann zerreißen Sie ihn. Ich kann für mich selbst sorgen«, antwortete ich fassungslos. Das war wieder einmal typisch Will! Ich hätte die Geste rührend gefunden, wäre Will kein Vampir, denn so hatte es wenig mit Herzensgüte, sondern einzig und allein mit ausgeprägter Besitzergreifung zu tun. Dabei gehörte ich ihm nicht einmal! Nach vampirischem Gesetz war ich an meine Mutter gebunden, also ihr menschlicher Diener. Wills Benehmen konnte ich also nur daraus erschließen, dass ich eindeutig zu lange bei ihm gewohnt hatte und er mich mehr als einmal retten musste. Lass dir niemals von einem Vampir helfen , hatte mein Vater mich früher immer gewarnt. Der Spruch war ja mal längst hinfällig!
»Also gut«, sagte sie gleichgültig. »Mir ist egal, wer bezahlt, Hauptsache, ich habe das Geld binnen einer Woche auf meinem Konto.« Damit holte sie Wills Scheck aus der Jackentasche und zerriss ihn.
Als sie mir die Summe nannte, schluckte ich. Da musste ich wohl meinen Dad anpumpen.
Odelia verabschiedete sich mit dem Versprechen, mir eine Rechnung zu schicken, und erinnerte mich noch einmal an ihre Einladung. Für das, was sie heute für mich getan hatte, konnte ich wohl schlecht absagen – Bezahlung hin oder her.
Als Will aus der Polizeidienststelle kam, wartete ich an seinen Wagen gelehnt. Er gab mir meine Jacke und Tasche wieder, und ich kontrollierte kurz, ob auch alles dabei war. Handy, Waffen, Portemonnaie und Zigaretten, alles da. »Danke«, sagte ich, als er die Beifahrertür von innen öffnete. Er wusste, dass ich nicht die nette Geste gemeint hatte. »Ich stehe tief in deiner Schuld.«
»Nein, tust du nicht. Immerhin bezahlt mich dein Vater dafür.« Er schnaufte. »Und seien wir mal ehrlich. Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich dir aus der Patsche helfen muss.«
Ich musste grinsen, dann wurde ich schlagartig ernst. Ich wollte mich entschuldigen, weil ich mich seit meinem Krankenhausaufenthalt nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, doch ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Ein einfaches ‚tut mir leid‘ wäre wohl zu wenig gewesen. Die Stille war erdrückend, und während er fuhr, suchte ich verzweifelt nach einem Gesprächsthema, doch mir fiel nichts Gescheites ein.
Dann rief meine Mutter an und unterbrach das unangenehme Schweigen. Sie erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und wie es überhaupt zu dem Angriff gekommen war. Ich erzählte es ihr und gleichzeitig auch Will, der mir zwischendurch Fragen stellte. Kaum hatte meine Mutter jedoch aufgelegt, herrschte wieder Schweigen zwischen uns.
Ich rief Stacy an. Sie hockte zu Hause vor dem Fernseher und schaute Nachrichten. Sie sagte, dass die Medien ausschließlich über die Schießerei im Kino berichteten und mein Gesicht morgen wohl das bekannteste von Berlin sein würde. Ich erzählte ihr, was nach der Festnahme geschehen war und dass es Will und den Hexen zu verdanken sei, dass ich wieder auf freiem Fuß war. Dann beendeten wir das Gespräch.
Will fuhr mich zum Apartment meines Vaters. Es lag nur eine viertel Stunde von D.I.P. entfernt und befand sich in einem edlen Hotel, direkt am Potsdamer Platz.
Die einundzwanzig Stockwerke mit Will in einem Fahrstuhl hochzufahren, waren mehr als unangenehm, weil mir
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