City of Death - Blutiges Erbe (German Edition)
Ihr Schlafzimmer war sehr klassisch und elegant eingerichtet: cremefarbene Wände mit weißem Stuck, weiße , golden eingerahmte Möbel und ein anmutiges Bett mit einer goldgerahmten Lehne. Es war ein Traum. Ich strich mit den Händen über den weichen Bettbezug, als einige Bilderrahmen auf der hinteren Kommode meine Aufmerksamkeit erregten. Mir entfuhr ein Laut, als ich Kinderfotos von mir entdeckte.
Mit zitternden Händen nahm ich ein Foto hoch, das mir sofort ins Auge stach. Meine Mutter, frisch gestylt und elegant gekleidet, wie ich sie in Erinnerung hatte, hielt mich in ihren Armen und küsste mich auf die Wange. Ich war vielleicht vier Jahre alt, trug ein rosa Rüschenkleid und grinste über beide Ohren. Es gab noch Babyfotos, sogar eines mit Dad drauf, und eines, wo ich schon etwas älter, sie aber noch ein Mensch war. Mom und ich waren uns zwar erst in den letzten Monaten wieder etwas nähergekommen, aber ich hatte immer gewusst, dass sie mehr für mich empfand, als sie zugeben wollte. Ich hatte ihr allerdings nie richtig verzeihen können und sie auch nicht ganz an mich herangelassen. Jetzt würde ich keine Gelegenheit mehr haben, ihr zu sagen, wie sehr ich sie trotz alledem geliebt hatte.
Ich packte alle Fotos in meine Tasche und öffnete eine große Schmucktruhe, die sich auf der Kommode befand. Sie war gefüllt mit wunderschönen Ketten, Armreifen und teuren Ringen. Alles private Lieblingsstücke meiner Mutter. Die konnte ich nicht weggeben. Mit tränenverschmierten Augen suchte ich mir eine goldene Kette mit roten Steinen heraus und legte sie mir um den Hals. Den Rest packte ich mitsamt der Truhe ein. Ich stöberte noch ein wenig in ihren Schubladen herum und nahm hier und da etwas mit. Irgendwann rief mich Will hinunter.
Als ich im Erdgeschoss ankam, warteten Felicitas, Darrel und Chane bereits mit gepackten Koffern auf mich. Liam, Will und Andre kamen gerade aus dem Wohnzimmer. Ich sah, wie Wills Blick zu der Kette um meinen Hals ging. Meine geschwollenen Augen dürften ihm ebenfalls aufgefallen sein.
»Gehen wir«, sagte er und ging voran.
Ich verließ als Letzte die Villa und warf noch einen Blick zur dunklen Kellertreppe. Fast war es, als wartete ich darauf, dass mich meine Mutter hinunterrief oder lächelnd heraufkam und mir beichtete, dass alles nur ein kranker Scherz gewesen war. Doch es kam niemand, also knipste ich das Licht aus und schloss die Tür.
Paranoid, wie Will war, nahm er die von Alberto bereitgestellten Autos nicht in Anspruch, sondern bestellte gewöhnliche Taxis. Am Hauptbahnhof angekommen waren er, Liam und Andre ständig in Alarmbereitschaft, weil sie jederzeit mit einem Angriff rechneten.
»Jetzt mach mal halblang«, sagte ich, als er mir Andre und Liam zum Ticketkaufen mitschicken wollte. Der Ticketschalter war keine zwanzig Meter entfernt!
»Überlass die Sicherheitsvorkehrungen mir«, sagte er, als eine plötzliche Härte sein Gesicht überzog. »Ich bin nicht umsonst so alt geworden. Und jetzt tu mir einen Gefallen und mach zur Abwechslung einmal das, was ich dir sage.« Seine Mundwinkel zuckten, als ich ihm einen giftigen Blick zuwarf.
Ich hasste es, wenn er mich bevormundete, und noch mehr hasste ich es, wenn er auch noch gute Argumente dafür brachte. Also gingen Andre, Liam und ich Tickets holen und waren zwanzig Minuten später wieder zurück. Liam hatte darauf bestanden, in der Ersten Klasse zu reisen wie auch die Fahrtkosten zu übernehmen. Schleimer! Glaubte er wirklich, das sowie seine Bereitschaft mitzufahren würden ihm sofort unser Vertrauen einbringen? Wer weiß, was er uns noch alles verheimlichte! Ich traute diesem Kerl jedenfalls kein bisschen mehr.
Als wir wieder zurück waren, stellte ich mich automatisch zu Will und den anderen. Bis mir einfiel, dass ich ja jetzt für Felicitas, Chane und Darrel verantwortlich war. Ich schaute zu den dreien hinüber und empfand tiefstes Mitleid mit ihnen. Sie hatten ihre Herrin und ihr Heim verloren, mussten in eine andere Stadt ziehen und sich einem Menschen unterwerfen, der weitaus jünger und schwächer war als sie. Aber was konnte ich ihnen schon sagen? Dass alles wieder gut werden würde? Dass ich sie beschützen würde? Ich begegnete Felicitas Blick und lächelte ihr aufmunternd zu. Sie lächelte zurück, doch es wirkte alles andere als echt. Ich weiß, es war falsch, sie so zu bemitleiden. Immerhin war sie älter und stärker als ich, aber wenn man ihren zierlichen, fast noch kindlichen Körper und ihr
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