City of Lost Souls
verrückten Moment glaubte er, sie wollte »Ich liebe dich« sagen.
Stattdessen schüttelte Isabelle den Kopf, gähnte und schob einen Finger durch die Gürtelschlaufe seiner Jeans. Ihre Fingerkuppen spielten mit der nackten Haut an seiner Taille.
Irgendwo hatte Simon mal gelesen, Gähnen sei ein Zeichen für Blutverlust, und Panik erfasste ihn. »Ist alles okay mit dir? Hab ich zu viel getrunken? Fühlst du dich erschöpft? Bist du … «
Sofort rutschte Isabelle näher an ihn heran. »Mir geht’s gut. Du hast dich rechtzeitig unter Kontrolle gebracht. Außerdem bin ich eine Nephilim. Wir ersetzen verlorenes Blut in einem Drittel der Zeit, die herkömmliche Menschen benötigen.«
»Hat … « Simon brachte es kaum über sich, sie zu fragen. »Hat es dir gefallen?«
»Ja.« Ihre Stimm klang heiser. »Ja, es hat mir gefallen.«
»Wirklich?«
Isabelle kicherte. »Hast du das denn nicht gemerkt?«
»Ich dachte, du würdest vielleicht nur so tun und mir was vormachen.«
Träge stützte sie sich auf einen Ellbogen und schaute ihn aus ihren funkelnden dunklen Augen an.
Wie können Augen nur so dunkel sein und gleichzeitig so funkeln?, fragte Simon sich.
»Ich täusche nichts vor, Simon«, erklärte sie. »Ich lüge nicht und ich tue auch nicht so als ob.«
»Du bist eine Herzensbrecherin, Isabelle Lightwood«, sagte Simon so leichthin wie möglich, während ihr Blut noch immer wie flüssiges Feuer durch ihn hindurchrauschte. »Jace hat mal zu Clary gesagt, du würdest mir das Herz herausreißen und mit hochhackigen Stiefeln darauf herumtrampeln.«
»Das war damals. Aber du hast dich verändert.« Isabelle musterte ihn. »Inzwischen hast du keine Angst mehr vor mir.«
Sanft berührte er ihr Gesicht. »Und du hast vor gar nichts Angst.«
»Ach, ich weiß nicht recht.« Ihre Haare fielen ihr ins Gesicht. »Vielleicht wirst du mir ja das Herz brechen.« Bevor Simon etwas erwidern konnte, küsste sie ihn, und er fragte sich, ob sie ihr eigenes Blut schmecken konnte. »Und jetzt halt die Klappe. Ich will schlafen«, sagte sie, kuschelte sich an ihn und schloss die Augen.
Irgendwie passten sie jetzt hervorragend zusammen. Nichts fühlte sich mehr seltsam an, nichts drückte mehr oder stieß unbequem gegeneinander. Allerdings erinnerte es Simon nicht an sonnige Kindheitstage. Das hier fühlte sich fremd an und heiß und aufregend und mächtig und … anders. Simon lag noch eine ganze Weile wach, schaute zur Decke und streichelte geistesabwesend über Isabelles seidige schwarze Haare. Er hatte das Gefühl, als hätte ein Tornado ihn erfasst und ihn an einem weit entfernten Ort wieder ausgespuckt, wo alles fremd war. Schließlich drehte er den Kopf zur Seite und küsste Izzy federleicht auf die Stirn, woraufhin sie sich ein wenig bewegte und irgendetwas murmelte, die Augen aber nicht öffnete.
Als Clary am nächsten Morgen erwachte, schlief Jace noch fest. Er hatte sich auf die Seite gedreht und einen Arm ausgestreckt, sodass er ihre Schulter gerade noch berührte. Sanft küsste Clary ihn auf die Wange und kletterte aus dem Bett. Sie wollte eigentlich ins Bad, um zu duschen, doch die Neugier war größer. Leise ging sie zur Zimmertür, öffnete sie lautlos und spähte hinaus.
Das Blut auf dem Boden war verschwunden, die weiße Wand wieder makellos. Der gesamte Flur wirkte so sauber, dass Clary sich fragte, ob sie das Ganze wohl geträumt hatte – das Blut, das Gespräch mit Sebastian in der Küche, einfach alles. Zögernd trat sie einen Schritt vor und legte ihre Finger auf die Stelle an der Wand, wo der blutige Handabdruck gewesen war …
»Guten Morgen.«
Clary wirbelte herum. Vor ihr stand ihr Bruder. Er war geräuschlos aus seinem Zimmer gekommen, stand nun in der Mitte des Flurs und musterte sie mit einem schiefen Lächeln. Offenbar hatte er gerade geduscht; seine feuchten Haare schimmerten silberhell, fast metallisch.
»Hast du vor, nur noch das zu tragen?«, fragte er und beäugte ihr Nachthemd.
»Nein, ich hab nur … « Clary wollte ihm nicht erzählen, dass sie nur nachgesehen hatte, ob der Flur noch blutverschmiert war.
Sebastian betrachtete sie schweigend, amüsiert, aber auch überlegen.
Hastig trat Clary den Rückzug an. »Ich geh mich besser umziehen.« Sebastian rief ihr etwas hinterher, aber sie konnte auf seine Kommentare jetzt verzichten und stürmte zurück in Jace’ Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment später hörte sie Stimmen im Flur – Sebastian und eine weibliche
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