City of Lost Souls
… ich meine nichts, was auf ihre Pläne hindeuten würde. Und letzte Nacht …
Letzte Nacht?
Ach, nichts.
Irgendwie war es seltsam, dass Clary in seinem Kopf sprach und er trotzdem spüren konnte, dass sie ihm irgendetwas verschwieg, überlegte Simon.
Sebastian bewahrt in seinem Zimmer das Kästchen auf, das meiner Mutter gehört hat. Mit den ganzen Babysachen drin. Aber ich versteh nicht, wieso.
Verschwende bloß keine Zeit mit dem Versuch, Sebastian verstehen zu wollen, riet Simon ihr. Das ist er gar nicht wert. Finde lieber raus, was die beiden vorhaben.
Das versuch ich ja. Clary klang gereizt. Bist du noch bei Magnus?
Ja. Wir sind inzwischen zu Phase zwei unseres Plans übergegangen.
Ah, ja? Was war denn Phase eins?
Phase eins bestand darin, um den Tisch herumzusitzen, Pizza zu bestellen und zu streiten.
Und was ist Phase zwei? Um den Tisch herumsitzen, Kaffee trinken und streiten?
Nicht ganz. Simon zögerte einen Moment. Wir haben den Dämon Azazel heraufbeschworen.
Azazel? Clarys mentale Stimme bekam einen schrillen Ton; Simon hätte sich fast die Ohren zugehalten. Also deswegen hast du mir diese blöde Schlumpf-Frage gestellt. Sag mir, dass das bloß ein Scherz ist.
Nein, leider, kein Scherz. Ist eine ziemlich lange Geschichte. Simon erzählte Clary die Ereignisse der vergangenen Stunden in Kurzform, während er gleichzeitig Isabelle betrachtete, die ruhig ein- und ausatmete. Wir dachten, der Dämon könnte uns dabei helfen, eine Waffe zu finden, mit der wir Sebastian töten können, ohne Jace dabei zu verletzen.
Na gut, aber war das die einzige Alternative? Einen Dämon heraufbeschwören? Clary klang nicht sehr überzeugt. Noch dazu ist Azazel nicht irgendein Dämon. Eigentlich bin ich hier doch beim Team ›Die Bösen‹ und ihr da drüben seid das Team ›Die Guten‹ – vergiss das nicht.
So einfach ist das nicht, Clary, und das weißt du auch.
Es schien, als konnte er ihr Seufzen spüren – ein leichter Luftzug, der über seine Haut strich und ihm die Nackenhaare aufstellte. Ich weiß.
Städte und Flüsse, dachte Clary, während sie den Ring an ihrer rechten Hand losließ und sich wieder der Karlsbrücke und damit auch Jace und Sebastian zuwandte. Die beiden standen auf der anderen Seite der alten Steinbrücke und zeigten auf irgendetwas, das Clary nicht sehen konnte. Das Wasser der Moldau schimmerte fast metallisch und umströmte geräuschlos die uralten Brückenpfeiler. Auch der Himmel war metallisch grau, durchsetzt von schwarzen Wolken.
Der Wind riss an Clarys Haaren und an ihrer Jacke, als sie sich zu Sebastian und Jace gesellte. Dann schlenderten sie gemeinsam weiter, wobei die Jungen sich leise miteinander unterhielten. Vermutlich hätte Clary sich an dem Gespräch beteiligen können, aber die ruhige Anmut der Stadt mit den hohen Türmen, die in der Ferne im Dunst verschwanden, weckte in ihr den Wunsch nach Stille und der Möglichkeit, sich allein umzuschauen und die Eindrücke auf sich wirken zu lassen.
Die Brücke führte zu einer gewundenen Kopfsteingasse mit zahlreichen Touristengeschäften, die blutroten Granatschmuck, goldenen Bernstein aus Polen, schwere böhmische Glaswaren und Holzspielzeug verkauften. Selbst zu dieser frühen Stunde standen bereits Kundenwerber vor den Nachtclubs und hielten den Passanten Freikarten und Coupons entgegen, welche Ermäßigungen auf die Getränke im Club versprachen. Ungeduldig wedelte Sebastian die Männer beiseite und fuhr sie verärgert auf Tschechisch an. Das Geschiebe in den Gassen ließ erst ein wenig nach, als sich die Straße zu einem mittelalterlichen Platz hin öffnete. Trotz des kalten Wetters drängten sich hier die Touristen rund um die kleinen Buden, die Würstchen und Glühwein anboten. Die drei waren an einem der Stände stehen geblieben und hatten sich etwas zu essen bestellt. Gerade aßen sie um einen wackligen Stehtisch gedrängt, als die riesige astronomische Uhr in der Mitte des Platzes plötzlich die Stunde schlug. Ein rasselndes Räderwerk setzte ein und dann traten oberhalb des Zifferblattes eine Reihe Holzfiguren aus zwei Türen – die zwölf Apostel, wie Sebastian erklärte, während die Figuren sich im Kreis drehten.
»Es gibt da eine Legende«, fügte er hinzu, stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und umfasste den Becher Glühwein mit beiden Händen. »Angeblich hat der König dem Uhrmacher nach Fertigstellung der Uhr beide Augen ausstechen lassen, damit er nie wieder etwas derartig Schönes
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