City of Lost Souls
kreisrunden Bibliotheksraum, das Gesicht tief in den Schatten der hochgeschlagenen Kapuze verborgen. Du hast dich an uns gewandt, Maryse Lightwood?
Müde rollte Maryse mit den Schultern; sie fühlte sich verkrampft und erschöpft und alt. »Bruder Zachariah. Ich hatte eigentlich erwartet, dass … Ach, nichts für ungut. Es spielt keine Rolle.«
Du hattest Bruder Enoch erwartet? Natürlich ist er mir übergeordnet, aber ich dachte, dein Anruf hinge möglicherweise mit dem Verschwinden deines Adoptivsohns zusammen. Und ich habe ein besonderes Interesse an seinem Wohlergehen .
Neugierig musterte Maryse Bruder Zachariah: Die meisten Brüder der Stille äußerten ihre Meinung nicht und sprachen auch nicht von ihren Gefühlen, falls sie denn überhaupt welche hatten. Rasch strich sie sich die Haare glatt und trat hinter ihrem Schreibtisch hervor. »Also gut. Ich möchte dir etwas zeigen.«
In all den Jahren hatte sie sich nie wirklich an die Stillen Brüder gewöhnt, an ihre geräuschlose Fortbewegungsweise, bei der ihre Füße den Boden scheinbar nicht berührten. Auch jetzt schien Zachariah neben ihr zu schweben, als sie ihn durch die Bibliothek zu einer Weltkarte führte, die an der nach Norden gehenden Rundwand des Raums angebracht war. Die Karte zeigte Idris im Herzen Europas und seine Schutzschilde waren als golden schimmernde Grenzen eingezeichnet.
Auf einem Regal unter der Karte befanden sich zwei Objekte: eine Glasscherbe mit getrocknetem Blut und eine abgenutzte Ledermanschette, auf der eine Engelskraft-Rune prangte.
»Das hier sind … «
Jace Herondales Armband und Jonathan Morgensterns Blut. Gehe ich recht in der Annahme, dass die Versuche, die beiden zu orten, nicht erfolglos geblieben sind?
»Na ja, man kann es nicht direkt als ›orten‹ bezeichnen.« Maryse straffte die Schultern. »Als ich noch dem Kreis angehört habe, bediente Valentin sich einer bestimmten Methode, um uns überall ausfindig machen zu können. Bis auf wenige geschützte Orte wusste er jederzeit, wo wir uns befanden. Ich hab mir gedacht, dass er dieselbe Methode vielleicht auch bei Jace angewandt hat, als er noch klein war. Valentin schien nie Schwierigkeiten zu haben, ihn zu finden.«
Von welcher Methode sprichst du?
»Ein Runenmal, allerdings keines aus dem Grauen Buch. Wir alle besaßen dieses Mal. Ich hatte es schon ganz vergessen, denn schließlich kann man es nicht mehr loswerden.«
Falls Jace dieses Mal trägt, würde er dann nicht davon wissen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen?
Maryse schüttelte den Kopf. »Das Mal könnte winzig sein, beispielsweise eine weiße, fast unsichtbare Rune unter den Haaren, so wie bei mir. Jace wüsste nicht einmal von ihrer Existenz, denn Valentin hätte es ihm bestimmt nicht auf die Nase gebunden.«
Bruder Zachariah trat einen Schritt vor und betrachtete die Wandkarte. Was ist bei deinem Experiment herausgekommen?
»Jace trägt tatsächlich dieses Runenmal«, bestätigte Maryse, klang dabei aber weder erfreut noch stolz. »Ich habe ihn auf der Karte gesehen. Sobald er irgendwo auftaucht, leuchtet auf der Weltkarte ein Lichtfunke auf, und zwar genau an seinem Standort; gleichzeitig blitzt seine Ledermanschette auf. Daher weiß ich, dass es sich um ihn handelt und nicht um Jonathan Morgenstern. Jonathan ist nicht ein einziges Mal aufgetaucht.«
Und wo befindet er sich? Wo ist Jace?
»Ich habe ihn an verschiedenen Orten gesehen, immer nur ein paar Sekunden: in London, Rom und Shanghai. Vor Kurzem flackerte sein Licht in Venedig auf, verschwand dann aber wieder.«
Wie kann er denn so schnell von Stadt zu Stadt reisen?
»Mithilfe eines Portals?« Maryse zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines: Jedes Mal, wenn die Karte aufblitzt, heißt das, dass er noch lebt … zumindest in diesem Moment. Dann habe ich das Gefühl, dass ich wieder Luft bekomme, frei atmen kann, wenigstens für eine kleine Weile«, erklärte sie und schloss dann resolut den Mund, damit ihr das, was sie dachte, nicht auch noch über die Lippen kam: Dass Alec und Isabelle ihr sehr fehlten, aber dass sie es nicht übers Herz brachte, sie zum Institut zurückzurufen, wo die Division zumindest von Alec erwartete, dass er seine Verantwortung als volljähriger Nephilim übernahm und sich an der Jagd nach seinem eigenen Bruder beteiligte. Dass sie immer noch oft an Max dachte und dass es ihr jedes Mal den Atem raubte und sie sich schmerzhaft ans Herz fassen musste, aus Angst, vor Kummer zu
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