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City of Lost Souls

City of Lost Souls

Titel: City of Lost Souls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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aufgewachsen ist und gelebt hat – bis du ihm das Leben genommen hast? Dass du durch dieselben Straßen läufst, seinen Namen trägst und weißt, dass irgendwo eine Tante um ihn trauert? Und was soll das überhaupt heißen: Er hätte sich eben nicht wehren dürfen?
    Sebastian musterte sie nachdenklich aus seinen schwarzen Augen. Er hatte durchaus Sinn für Humor, das wusste Clary genau – ein beißender Humor, der sie manchmal an Jace’ Sarkasmus erinnerte. Aber er lächelte nicht dabei.
    »Komm schon«, riss er Clary in diesem Moment aus ihren Gedanken. »Hier gibt es die beste heiße Schokolade von ganz Paris.«
    Clary war sich nicht ganz sicher, wie sie das beurteilen sollte. Sie besuchte die französische Hauptstadt schließlich zum ersten Mal. Doch nachdem sie einen Platz gefunden hatten, musste Clary einräumen, dass die heiße Schokolade wirklich hervorragend schmeckte. Sie wurde in einer blauen Keramikkanne direkt an ihrem kleinen Tisch mit den altmodischen Holzstühlen zubereitet: aus frischer Sahne, Schokolade und Zucker. Dieses Rezept ergab einen Kakao, der so dickflüssig war, dass der Löffel aufrecht darin stehen konnte. Dazu bestellten sie Croissants, die sie in das heiße Getränk tauchten.
    »Wenn du noch ein Croissant möchtest, brauchst du es nur zu sagen«, meinte Sebastian und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Die beiden waren die mit Abstand jüngsten Gäste in dem Café, registrierte Clary. »So wie du über dieses arme Croissant herfällst.«
    »Ich hab eben Hunger«, erwiderte Clary achselzuckend. »Hör zu, wenn du mit mir reden willst, dann schieß los. Überzeug mich.«
    Sebastian beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Dabei musste Clary unwillkürlich an die Nacht zuvor denken, als sie ihm in die Augen gesehen und den dünnen Silberring um seine Iris bemerkt hatte. »Ich habe darüber nachgedacht, was du letzte Nacht gesagt hast«, setzte er an.
    »Letzte Nacht hab ich halluziniert. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe.«
    »Du hast mich gefragt, zu wem ich gehöre«, erklärte Sebastian.
    Bei diesen Worten zuckte Clary zusammen, die Tasse unschlüssig in der Hand. »Wirklich?«
    »Ja.« Eingehend studierte er ihr Gesicht. »Und ich habe darauf keine Antwort.«
    Vorsichtig stellte Clary die heiße Schokolade ab; sie fühlte sich plötzlich extrem unwohl. »Du musst ja auch nicht unbedingt zu jemandem gehören«, sagte sie. »Das ist doch nur eine Redensart.«
    »Okay, dann möchte ich dich etwas fragen«, erwiderte Sebastian. »Denkst du, dass du mir verzeihen kannst? Ich meine, glaubst du, dass für jemanden wie mich Vergebung überhaupt möglich ist?«
    »Keine Ahnung.« Clary klammerte sich an die Tischkante. »Ich … ich kenne mich mit Vergebung nicht so aus, also mit dem religiösen Konzept der Vergebung; ich weiß nur über die herkömmliche Versöhnung Bescheid, wenn Leute jemandem verzeihen.« Sie stockte und holte tief Luft; ihr war bewusst, dass sie unzusammenhängendes Zeug plapperte. Vermutlich lag das an Sebastians unverwandtem Blick, als erwartete er von ihr Antworten auf Fragen, die niemand anderes beantworten konnte. »Ich weiß, dass man etwas dafür tun muss, um sich Vergebung zu verdienen. Sich selbst verändern. Gestehen, Reue empfinden – und Buße tun«, fuhr Clary fort.
    »Buße tun«, wiederholte Sebastian.
    »Um das, was man getan hat, wiedergutzumachen.« Betreten blickte Clary in ihre heiße Schokolade. Für die Dinge, die Sebastian getan hatte, gab es keine Wiedergutmachung – jedenfalls keine, die auch nur ansatzweise Sinn ergab.
    »Ave atque vale«, sagte Sebastian und schaute auf seine Tasse.
    Clary erkannte den traditionellen Abschiedsgruß der Nephilim, den sie bei Begräbnissen oder im Schlachtengetümmel sprachen. »Warum sagst du das jetzt? Ich bin doch nicht tot.«
    »Wusstest du, dass diese Worte aus einem Gedicht stammen?«, bemerkte er. »Ein Gedicht von Catull. ›Frater, ave atque vale.‹ ›Sei gegrüßt und leb wohl, mein Bruder.‹ Catull redet von Asche, von Begräbnisriten und seiner Trauer um den toten Bruder. Ich hab dieses Gedicht schon als kleiner Junge auswendig gelernt, es aber nie richtig nachempfinden können – weder seinen Kummer noch seinen Verlust. Auch nicht, wie es wohl wäre, wenn man stirbt, aber niemand da ist, der um einen trauert.« Unvermittelt schaute er auf und blickte Clary an. »Was glaubst du, wie es wohl gewesen wäre, wenn Valentin dich zusammen mit mir aufgezogen hätte? Hättest

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