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City of Lost Souls

City of Lost Souls

Titel: City of Lost Souls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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du mich dann geliebt?«
    Clary war froh, dass sie die Tasse bereits abgestellt hatte, sonst wäre sie ihr jetzt bestimmt aus der Hand gefallen. Sebastian musterte sie eindringlich – ohne jede Verlegenheit, die mit einer solch bizarren Frage üblicherweise verbunden war. Er studierte ihr Gesicht, als wäre sie eine seltsame, fremde Lebensform. »Na ja«, setzte Clary bedächtig an. »Du bist mein Bruder. Ich hätte dich geliebt. Ich hätte wohl … gar nicht anders gekonnt.«
    Sebastian schaute sie weiterhin unverwandt an.
    Einen Moment lang überlegte Clary, ob sie ihm eine Gegenfrage stellen sollte: Dachte er vielleicht, dass er sie dann ebenfalls geliebt hätte, als seine Schwester? Doch irgendetwas sagte ihr, dass er keine Ahnung hatte, was das bedeutete. »Valentin hat mich aber nun mal nicht großgezogen«, erwiderte sie stattdessen. »Genau genommen, hab ich ihn getötet.« Sie war sich nicht sicher, warum sie das gesagt hatte. Vielleicht wollte sie ja nur herausfinden, ob es möglich war, Sebastian aus der Fassung zu bringen. Schließlich hatte Jace ihr einmal erzählt, dass Valentin möglicherweise der einzige Mensch war, der Sebastian jemals etwas bedeutet hatte.
    Doch Sebastian verzog keine Miene. »In Wahrheit hat der Erzengel ihn getötet. Auch wenn du der Grund dafür warst«, entgegnete er. Seine Finger zeichneten ein Muster auf der abgenutzten Tischplatte nach. »Als ich dich in Idris kennenlernte, hatte ich große Hoffnungen – ich dachte, du wärst genau wie ich. Aber als ich festgestellt habe, dass du kein bisschen so warst wie ich, da hab ich dich gehasst. Und dann, als ich von den Toten wiedererweckt war und Jace mir erzählte, was du getan hast, ist mir klar geworden, dass ich mich geirrt hatte: Du bist sehr wohl genau wie ich.«
    »Das hast du vergangene Nacht schon gesagt«, widersprach Clary, »aber ich bin nicht … «
    »Du hast unseren Vater getötet«, unterbrach Sebastian sie sanft. »Und es ist dir vollkommen egal. Du hast keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, stimmt’s? Valentin hat Jace in dessen Kindheit blau und grün geprügelt und trotzdem vermisst Jace ihn noch immer. Er hat um ihn getrauert, obwohl sie nicht blutsverwandt sind. Aber Valentin war dein leiblicher Vater und du hast ihn getötet und nicht eine einzige schlaflose Nacht deswegen gehabt.«
    Mit offenem Mund starrte Clary ihn an. Das war unfair. So unfair. Valentin war nie ein Vater für sie gewesen … er hatte sie nicht geliebt … er war ein Monster gewesen, das sterben musste. Sie hatte ihn getötet, weil ihr keine andere Wahl geblieben war. Unwillkürlich tauchte vor ihrem inneren Auge Valentins Bild auf: wie er Jace die Klinge in die Brust gerammt und ihn in den Armen gehalten hatte, als Jace starb. Valentin hatte über den Sohn geweint, den er eigenhändig umgebracht hatte. Doch sie selbst hatte keine einzige Träne über ihren Vater vergossen. Hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht.
    »Ich habe recht, oder?«, bemerkte Sebastian. »Sag mir, dass ich mich irre. Sag mir, dass du nicht genauso bist wie ich.«
    Clary blickte auf ihren kalt gewordenen Kakao. Sie hatte das Gefühl, als würde sich in ihrem Kopf ein Strudel bilden und all ihre Gedanken und Worte mit sich in die Tiefe reißen. »Ich dachte, du wärst der Meinung gewesen, Jace sei wie du«, brachte sie schließlich mit erstickter Stimme hervor. »Ich dachte, das sei der Grund, warum du ihn bei dir haben wolltest.«
    »Ich brauche Jace«, erklärte Sebastian. »Doch tief in seinem Herzen ist er nicht wie ich – im Gegensatz zu dir.« Sebastian stand auf; offenbar hatte er irgendwann die Rechnung beglichen, aber Clary hatte es nicht mitbekommen. »Komm mit«, forderte Sebastian sie auf und streckte ihr seine Hand entgegen.
    Schweigend erhob Clary sich, ohne seine Hand auch nur zu berühren, und wickelte sich mechanisch seinen Schal um den Hals; der Kakao rumorte wie brennende Säure in ihrem Magen. Sie folgte Sebastian aus dem Café hinaus in die Gasse, wo er einen Moment stehen blieb und zum strahlend blauen Himmel hinaufschaute. »Ich bin nicht wie Valentin«, sagte Clary. »Unsere Mutter … «
    »Deine Mutter«, berichtigte er sie, »hat mich gehasst. Hasst mich noch immer. Du hast es selbst gesehen: Sie hat versucht, mich zu töten. Du willst mir also sagen, dass du nach deiner Mutter kommst? Prima. Jocelyn Fairchild ist skrupellos. Ist es schon immer gewesen. Sie hat so getan, als würde sie unseren Vater lieben, und zwar monatelang,

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