City of Lost Souls
ebenfalls.«
TEIL DREI
Alles wandelt sich
Alles wandelte sich ganz und gar:
Eine Schönheit kam schrecklich zur Welt. William Butler Yeats, »Ostern 1916«
18 Raziel
»Clary?«
Simon saß auf der hinteren Verandatreppe und blickte von Lukes Farmhaus über den Pfad, der durch den Obstgarten hinunter zum See führte. Isabelle und Magnus standen dort und der Hexenmeister schaute erst zum Wasser und dann hinüber zu den flachen Bergen, die die Gegend säumten. Er machte sich Notizen in einem kleinen Buch, wobei sein Stift immer wieder blaugrün aufglühte. Alec stand ein wenig abseits und blickte hinauf zu den Bäumen auf den Kuppen der Hügelkette, die die Farm von der Straße trennte. Er machte den Eindruck, als hätte er sich so weit wie möglich von Magnus entfernt, ohne sich dabei völlig außer Hörweite zu befinden. Zugegeben, Simon verstand nur wenig von diesen Dingen, dennoch hatte er das Gefühl, dass sich trotz der Scherze während der Autofahrt zwischen Magnus und Alec eine spürbare Distanz aufgebaut hatte – ein innerer Abstand, den er nicht genau benennen konnte, von dem er aber definitiv wusste, dass er da war.
Simon hatte die Hände ineinandergelegt und seine Finger drehten unablässig den dünnen Goldreif an seinem rechten Ringfinger.
Clary, bitte.
Seit Maia ihm erzählt hatte, dass es Luke langsam wieder besser ging, hatte er fast stündlich versucht, sie zu erreichen – jedoch vergeblich. Er hatte keine Antwort erhalten.
Clary, ich bin jetzt am alten Farmhaus … und erinnere mich an die schönen Zeiten, die wir hier gemeinsam verbracht haben.
Es war ein außergewöhnlich warmer Herbsttag und eine milde Brise rauschte durch die letzten verbliebenen Blätter an den Ästen der Bäume. Simon hatte sehr lange überlegt, welche Kleidung man bei der Begegnung mit einem Engel wohl tragen sollte – ein Anzug erschien ihm übertrieben, auch wenn er noch einen besaß, den er sich speziell für Jocelyns und Lukes Polterabend zugelegt hatte. Letztendlich hatte er sich jedoch für Jeans und T-Shirt entschieden und spürte nun die noch warme Sonne auf seinen nackten Armen. Er verband viele glückliche, sonnendurchflutete Erinnerungen mit diesem Ort: Fast jeden Sommer war er zusammen mit Clary und Jocelyn hierhergekommen, um gemeinsam die Ferien auf der Farm zu verbringen. Sie hatten oft im See gebadet. Und Simons Haut hatte eine goldbraune Tönung angenommen, wohingegen Clary sich mit ihrem hellen Teint andauernd einen Sonnenbrand eingefangen hatte. Noch dazu waren auf ihren Armen und Schultern im Nu eine Million weiterer Sommersprossen entstanden. Im Obstgarten hatten sie immer »Apfel-Baseball« gespielt – ein matschiges, feuchtfröhliches Vergnügen – und abends dann Scrabble und Poker, wobei Luke jedes Mal gewonnen hatte.
Clary, ich steh kurz davor, etwas zu tun, das ziemlich dumm und gefährlich und möglicherweise selbstmörderisch sein wird. Ist es wirklich so schlimm, dass ich vorher noch ein letztes Mal mit dir reden möchte? Ich tue das hier, um dir zu helfen, und dabei weiß ich nicht einmal, ob du überhaupt noch lebst. Aber wenn du tot wärst, wüsste ich das, oder? Das würde ich doch spüren.
»Okay, es wird Zeit«, sagte Magnus, der am Fuß der Treppe aufgetaucht war. Er warf einen kurzen Blick auf den Ring an Simons Hand, verkniff sich aber jeden Kommentar.
Simon stand auf, klopfte sich die Jeans ab und ging dann voraus. Der Weg wand sich durch den Obstgarten und bald darauf leuchtete der See vor ihnen auf, funkelnd und kalt. Als sie näher kamen, konnte Simon den alten Holzsteg sehen, der in das Wasser hineinragte: Hier hatten Clary und er immer ihre Kajaks festgemacht, bis eines Tages ein großer Teil des Stegs weggebrochen und davongetrieben war. Simon glaubte, das träge Summen der Bienen und die drückende Wärme des Sommers noch immer wahrnehmen zu können … Am Ufer angekommen, drehte er sich noch einmal um und schaute hinauf zur weiß gestrichenen Farm, zu den grünen Fensterläden und der überdachten Terrasse mit den weißen verwitterten Korbmöbeln.
»Du bist hier wirklich gern gewesen, stimmt’s?«, bemerkte Isabelle. Ihre schwarzen Haare flatterten wie eine Fahne in der kräftigen Brise, die vom See herauf wehte.
»Woran erkennst du das?«
»An deinem Gesichtsausdruck«, erklärte Isabelle. »Du hast ausgesehen, als hättest du dich an etwas Schönes erinnert.«
»Stimmt«, bestätigte Simon und wollte gerade die Brille auf der Nase hochschieben. Aber im
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