City of Lost Souls
darüberliegenden Park auf den Boden; die vier Fliesenreihen, die sternförmig von der Lichtkuppel abgingen, erinnerten an die Beine einer Spinne. Am Ende des Bahnsteigs befand sich eine schmale Treppe, deren Stufen sich in der Dunkelheit verloren. Alec fiel auf, dass sie durch einen Zauberglanz getarnt war: Jeder Irdische, der die Treppe hinaufschaute, würde nur eine Betonwand sehen, wohingegen er einen offenen Torbogen wahrnahm. Leise eilte er die Stufen hinauf.
Kurz darauf fand er sich in einem dämmrigen Raum mit niedriger Decke wieder; durch die Amethystglasscheiben des Oberlichts fiel nur ein schwacher Lichtschimmer. In einer Ecke des düsteren Raums stand ein Samtsofa mit einer hohen, geschwungenen und vergoldeten Rückenlehne – und auf dem Sofa saß Camille.
Die Vampirdame war so schön, wie Alec sie in Erinnerung hatte, auch wenn sie bei ihrer letzten Begegnung nicht besonders vorteilhaft ausgesehen hatte: schmutzig, blutverklebt und an ein Leitungsrohr in einem Rohbau gekettet. Doch nun trug sie einen eleganten schwarzen Hosenanzug mit roten hochhackigen Pumps und ihre hellen Haare ergossen sich in sanften Wellen über ihre Schultern. Auf dem Schoß hielt sie ein aufgeschlagenes Buch – La Place de l’Étoile von Patrick Modiano. Alecs Französischkenntnisse reichten aus, um den Titel zu übersetzen: »Der Platz des Sterns.«
Camille schaute Alec ruhig an, als hätte sie mit seinem Kommen gerechnet.
»Hallo, Camille«, begrüßte er sie.
Die Vampirdame blinzelte langsam. »Alexander Lightwood«, sagte sie schließlich. »Ich habe deine Schritte auf der Treppe wiedererkannt.« Sie stützte den Kopf auf eine Hand und schenkte Alec ein Lächeln – ein Lächeln, das distanziert wirkte und keinerlei Wärme ausstrahlte. »Ich nehme nicht an, dass du mir eine Nachricht von Magnus überbringst?«, fügte sie hinzu.
Alec schwieg.
»Natürlich nicht«, beantwortete Camille ihre eigene Frage. »Ich Dummerchen! Als ob Magnus wüsste, wo du gerade steckst … «
»Woher hast du gewusst, dass ich es bin? Eben auf der Treppe?«, fragte Alec.
»Du bist ein Lightwood«, erklärte Camille. »Und deine Familie gibt niemals auf. Ich wusste, du würdest dich mit dem, was ich dir in jener Nacht gesagt habe, nicht zufriedengeben. Die Nachricht, die ich dir heute zukommen ließ, war nur eine kleine Gedächtnisstütze.«
»Du brauchst mich nicht daran zu erinnern, was du mir versprochen hast. Oder war das eine Lüge?«
»In jener Nacht hätte ich alles versprochen, nur um freizukommen«, erwiderte die Vampirdame. »Aber ich habe nicht gelogen.« Langsam beugte sie sich vor; ihre grünen Augen leuchteten und waren düster zugleich. »Du bist ein Nephilim, Mitglied des Rats und der Kongregation. Auf mich ist ein Kopfgeld ausgesetzt, wegen des Mordes an mehreren Schattenjägern. Aber ich weiß, dass du nicht hier bist, um mich dem Rat zu übergeben. Du suchst Antworten.«
»Ich will wissen, wo Jace ist«, erwiderte Alec.
»Sicher möchtest du das«, bestätigte Camille. »Doch du weißt natürlich, dass es keinen Grund gibt, warum ich eine Antwort darauf haben sollte. Und genauso ist es auch: Ich weiß es nicht. Ich würde es dir sagen, wenn ich es wüsste. Mir ist lediglich bekannt, dass Jace von Liliths Sohn entführt wurde, und ich habe keinerlei Veranlassung, ihr gegenüber loyal zu sein. Lilith existiert nicht mehr. Und natürlich bin ich darüber informiert, dass Suchtrupps ausgeschickt wurden, um mich aufzuspüren und herauszufinden, was ich möglicherweise weiß. Doch ich kann dir hier und jetzt versichern: Ich habe nicht die geringste Kenntnis über seinen Verbleib. Wenn ich wüsste, wo dein Freund sich aufhält, würde ich es dir sagen. Schließlich will ich die Nephilim nicht noch mehr gegen mich aufbringen.« Camille fuhr sich mit einer Hand durch ihr dichtes blondes Haar. »Aber deswegen bist du nicht hier. Gib es zu, Alexander.«
Alec spürte, wie sein Atem schneller ging. Er hatte sich diesen Moment oft vorgestellt, vor allem nachts, wenn er wach neben Magnus gelegen hatte, auf dessen ruhige Atmung gelauscht und seine eigenen Atemzüge gezählt hatte. Jeder Atemzug brachte ihn einen Schritt näher in Richtung Alter und Tod. Jede Nacht dem Ende ein Stück näher. »Du hast gesagt, du kennst eine Möglichkeit, mich unsterblich zu machen«, entgegnete Alec. »Du hast gesagt, du wüsstest einen Weg, wie Magnus und ich für immer zusammenbleiben könnten.«
»Das habe ich tatsächlich gesagt? Wie
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