City Vampire - Frankfurt im Morgengrauen
hast“, gestand er schließlich. „Ich weiß, dass es dich einige Überwindung gekostet hat. Und glaube mir, ich verstehe das.“
Lara antwortete zuerst nicht, sondern dachte eine Weile über seine Worte nach. „Ich gebe zu, viele Vorurteile gehabt zu haben“, räumte sie ein. „Aber du hast irgendwie alles durcheinander gebracht.“ Sie lachte kurz. „Nicht falsch verstehen. Ich meinte damit, du hast es zum Guten durcheinander gebracht. Du hast sozusagen mein düsteres Vampir-Weltbild völlig erschüttert.“
Janus lachte offen. „Es freut mich, das zu hören.“
Eine Weile sprach keiner der beiden ein Wort und Lara spielte gedankenverloren mit den Fingern an ihrem Weinglas .
„Um ehrlich zu sein : Ich mag dich sogar“, flüsterte sie schließlich. Sie spürte, wie ihr wieder die Hitze ins Gesicht schoss und fügte so locker sie konnte hinzu: „Obwohl du ein Vampir bist.“
Janus l ächelte sanft. Dann löste er ihre Finger vom Weinglas und umschloss sie sanft mit seiner Hand.
„All die Jahrhunderte habe ich immer versucht, mich von den Menschen fernzuhalten. Hin und wieder hatte ich Freunde, so wie Kai zum Beispiel. Und es gab auch Frauen in meinem Leben, aber nichts, was wirklich von Belang war. Denn das Schlimme ist, dass man die, die man in sein Herz lässt, zwangsläufig irgendwann verliert. Und ganz selten nur ist ein Vampir bereit, das Risiko einzugehen.“ Er sah ihr direkt in die Augen, wartete auf ihre Reaktion, doch sie saß nur still da, blickte ihn offen an und hörte zu. „Du wärst es wert, es zu wagen, Lara.“
Laras Herz pochte wie wild bei seinen Worten. Er mochte kein Mensch sein – aber zählte nicht das, was man tat, viel mehr als das, was einem die Natur vorgab zu sein? Und sie spürte, dass sie ihm vertrauen konnte.
Janus beugte sich vor und Lara schloss die Augen. Ihr ganzer Körper kribbelte bei der Erwartung seiner Lippen, bei der Frage, wie er sich wohl anfühlen möge.
Doch plötzlich betrat der Autor die Bühne und der magische Moment war vorüber. Janus ließ ihre Hand los und lehnte sich zurück.
Frank Schätzing wurde mit tosendem Beifall begrüßt und Lara versuchte, sich zusammenzureißen.
Der Autor begann nach einem kurzen Entree mit seiner Lesung. Die Menschen an den Tischen und der Bar lauschten andächtig seinen Worten, doch in Laras Kopf überschlugen sich die Gedanken. Schließlich beugte sie sich zu Janus hinüber und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: „Ich befürchte, ich kann mich nun nicht mehr auf die Lesung konzentrieren.“
„ Das macht nichts“, flüsterte Janus zurück. „Ich kenne das Buch schon.“
„Wie kannst du es kennen? Er stellt es heute vor!“
„ Mir gehören einige Geschäftsanteile des Verlags. Ich habe ein Vorabexemplar erhalten. Ich schenke es dir.“
„Aha“ , Laras Augen funkelten amüsiert. „Und warum sind wir dann heute Abend überhaupt hier, wenn du alles schon kennst?“
„ Ausschließlich deinetwegen“, gestand Janus, ohne den Blick von ihren Augen zu wenden.
Kapitel 16
Als die Lesung nach gut einer Stunde mit tosendem Beifall endete, atmete Lara erleichtert auf. Die Spannung zwischen ihr und Janus war förmlich greifbar. Unter der Haut spürte sie eine kribbelnde Hitze, die sich nach Abkühlung sehnte.
„Wie wäre es mit einem Spaziergang am Fluss?“, schlug sie vor und ihr Gegenüber nickte ihr erfreut zu.
Es waren nur wenige Minuten zur kleinen Mainpromenade. Obwohl es empfindlich kalt war, fühlte Lara noch immer die aufgeregte Wärme in sich. Der Wein machte ihren Gang leicht und schwebend. Als sie die flache Fußgängerbrücke zur idyllischen Spaziergängerinsel überquert hatten, verharrte Janus für einen Moment am Geländer und betrachtete gedankenverloren den nächtlichen Fluss. Das Lichtermeer der Stadt reflektierte sich im Wasser und es war zu hell, um im klaren Himmel Sterne auszumachen.
„Vor dreihundert Jahren konnte man von diesem Inselchen die Felder außerhalb der Stadtmauer sehen. Die Stadtmauer schloss am anderen Ufer mit Sachsenhausen ab und wenn ich damals den Kopf in den Nacken legte, war der Himmel voller Sterne. Die Welt war nicht so hell wie heute.“
„Wer bist du wirklich, Janus?“, fragte Lara lächelnd ohne einen Anflug von Pathos.
„Komm' näher“, sagte er und neigte den Körper zu ihr herunter, sodass sie miteinander auf Augenhöhe waren. Für einen Augenblick glaubte sie, er würde sie küssen. Doch er sah Lara nur an. Sie empfand keine Spur von
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