City Vampire - Nacht ueber New York
damals in Venedig gelebt – ein menschliches Leben, denn das alles hatte vor seiner Verwandlung zum Vampir begonnen. Es war eine Zeit, in der die katholische Kirche große Macht besessen hatte und mit fanatischem Eifer gegen all jene kämpfte, die es wagten, ihre Lehren infrage zu stellen. Zwei Ritterorden mit so unterschiedlichen Gesinnungen, wie sie nur eine Zeit der Unsicherheit und des Wandels hervorbringen kann, gelangten damals zu großer Macht: Der eine, „Lux Dei“, hielt streng an der konventionellen Kirchenlehre fest. Der andere hingegen, „Novi Scientiam“, propagierte Fortschritt und Wissenschaft. Auch Aleksay war ein Mitglied von Novi Scientiam gewesen. Als gelehrter Mathematiker und Astronom hatte er die falschen Thesen der Kirche nicht länger akzeptieren wollen und arbeitete an mehreren wissenschaftlichen Schriften, die kurz vor ihrer Veröffentlichung standen. Man hatte ihn zu einem sehr wertvollen Mitglied dieser Gemeinschaft gezählt.
Seinem Orden wurden gewisse „dunkle“ Verbindungen nachgesagt, Verbindungen zum Übernatürlichen – zu Hexen, Teufeln und Vampiren. Aleksay hatte nicht daran geglaubt. Wann immer die Wissenschaft durch neue Erkenntnisse eine bis dahin als unumstößlich geltende Wahrheit ins Wanken brachte, bäumte die Kirche sich auf und verschrie diese als Blasphemie, als Gotteslästerung, als Hexenwerk und Teufelei. Aleksay glaubte an den Fortschritt, an die Wahrheit und dass jeder Mensch ein Recht auf Wissen habe. Novi Scientiam bot ihm die Möglichkeit und den Rückhalt, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, ihrer aller Wissen zu verbreiten, gemeinsam zu forschen und sich gegenseitig zu schützen.
Die Verfeindung zwischen den Orden nahm im Laufe der Zeit immer schärfere Züge an. Insbesondere Lux Dei schrak auch vor gewalttätigen Machtdemonstrationen nicht zurück. Irgendwann forderte die Fehde ihre ersten Todesopfer. Mehrere Mitglieder von Novi Scientiam wurden von Anhängern Lux Deis ermordet – für den „Verrat an den Menschen und Gott“, wie der kirchennahe Orden seine grausigen Taten rechtfertigte.
Auch auf Aleksay wurde ein Anschlag verübt – man vergiftete seinen Wein. Auf dem Sterbebett liegend – er hatte sich bereits mit seinem bevorstehenden Tod abgefunden – erhielt er schließlich den Besuch eines sehr hochrangigen Mitglieds von Novi Scientiam. Er hatte diesen Mann bis dahin nie persönlich kennengelernt, nur gehört hatte er von ihm, wenn andere in Ehrfurcht und voller Respekt seinen Namen flüsterten. Er war einer der größten Gelehrten seiner Zeit gewesen und doch kannte man ihn kaum außerhalb des Ordens, denn er lebte und arbeitete im Verborgenen. Er trachtete nicht danach, Ruhm und Reichtum zu erlangen. Mit seinem hellwachen Geist wollte er nur der Wissenschaft dienen. Dieser Mann sagte ihm, er sei zu intelligent und viel zu wertvoll, um diesen ungerechten und frühen Tod zu sterben. Man würde ihn noch brauchen, er hätte noch so viel zu geben.
Aleksay verstand damals nicht, was der Mann ihm sagen wollte. Natürlich wäre er selbst auch lieber unter den Lebenden geblieben, aber die Ärzte hatten ihm versichert, eine Heilung könne er nicht erwarten. Der Fremde wollte davon nichts hören und schnitt sich selbst in den Arm. Er drückte die Wunde auf Aleksays Lippen – noch immer erinnerte er sich an den metallischen Geschmack auf seiner Zunge, den Geschmack des ersten Blutes. Widerlich zuerst und immer süßer dann, bis er kaum mehr hatte aufhören können. Dann kam der Schmerz. Aleksay hielt es für eine Wirkung des Giftes und glaubte, nun werde er endgültig sterben – und im Grunde war es so, denn sein menschliches Leben wurde ausgehaucht, in diesen Augenblicken voller Qual. Doch ein neues Leben begann.
Dieses neue Leben gab Aleksay die Chance, seine Schriften fertigzustellen. Binnen kürzester Zeit hatte er seine Arbeit vollendet, denn sein Geist war nun noch wacher als zuvor. Der Blutdurst war nur eine unangenehme Begleiterscheinung. Aleksay achtete das Leben, wollte es nicht zerstören. Mithilfe seines Erschaffers lernte er schnell, die vollständige Kontrolle zu erlangen, und er nahm nur so viel Blut, wie er unbedingt zum Überleben brauchte. Zu seinem Erstaunen mangelte es nicht an Freiwilligen, die ihm ihre Handgelenke und Hälse darboten, denn einige Mitglieder Novi Scientiams wussten von der Existenz der Unsterblichen. Sie gaben ihr Blut, die Vampire gaben der Gemeinschaft Schutz und Wissen. Es war die perfekte
Weitere Kostenlose Bücher