Claifex: Nefilim KI
mit Wachen und Spähern rechnen sollten. Meine Beziehung zu ihnen war wechselhaft, aber sie haben einen gewissen Respekt vor mir entwickelt.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass hier jemand lebt. Der Abgrund auf Zeux ist das reinste Wohnparadies dagegen«, murmelte Susannah neben mir.
Als der Fahrstuhl anhielt, hatten wir die Hülle des Tankers bereits verlassen und befanden uns unterhalb von ihm. Die betagten Landestützen, die sich auf noch älterem Schrott abstützten, waren links und rechts zu erkennen. Kolossale, massive Streben, die dem Gewicht des Frachters und seiner Ladung angemessen und scheinbar auch für Planeten mit hoher Schwerkraft ausgelegt waren, hatten dem unermesslichen Druck des Schrotts standhalten können, der sich bereits auf dem Tanker angesammelt und seine gesamte Hülle unter sich begraben hatte. In Gedanken zollte ich den Ingenieuren des alten Schiffs meinen Respekt und hoffte, dass der Trümmerhaufen nicht über uns hereinbrach, wie eine gigantische Lawine aus Metall.
Odin führte uns inzwischen durch ein Gebiet, das von ehemaligen Landeleuchten des Tankers, die er womöglich selbst repariert hatte, beleuchtet wurde. Eine Art Weg, der von zwei Säulen markiert wurde, auf denen die Nachbildungen humanoider Köpfe aus zusammengeschweißten Metallteilen mit übergroßen Augen ruhten, führte uns in die Dunkelheit jenseits des Frachterrumpfs. Inzwischen konnten wir unsere Masken gegen die Aspiratoren ersetzen, was um einiges bequemer war und das Sprechen erleichterte. Vor allem hatte man nicht ständig seinen feuchten Atem unter der Nase. Wie schon in dem Umgehungstunnel führte der Weg durch zahllose Wracks und zwischen Maschinenbauteilen hindurch. Doch anders als in dem Tunnel, den Odin mit seinen verbliebenen Nefilim-Waffen in den Schrott geschnitten hatte, war dieser Weg eher gewachsen, folgte dem geringsten Widerstand. Wir gingen durch offenstehende Schotts und Frachtluken, passierten das Innere von Schiffen, kletterten in entfernte Rumpfteile und Lücken zwischen zwei Wracks. Wir durchquerten Rohre von Maschinen und gigantischen Raumschiffen, von denen manche so eigenartig konstruiert waren, dass ich mich fragen musste, welchem Zweck sie wohl gedient hatten. Hohlräume zwischen großen Schiffen oder leere Frachträume bildeten exorbitante Kavernen, die hohle Echos unserer Schritte zurückwarfen. Antriebsegmente von alten Raumkreuzern, in der ich die Cheiron hätte landen können, boten unvermittelt Platz und Raumgefühl in all dem Chaos. Stets waren einzelne Stellen mit Streben abgestützt oder zeigten Spuren von Abnutzung, so als hätten viele Sohlen seit langer Zeit das Material abgewetzt. Obwohl weite Teile vollkommen dunkel und wir immer wieder auf unsere Lampen angewiesen waren, gab es häufig alte Beleuchtungseinrichtungen der umgebenden Raumschiffe, die noch immer funktionierten. Ich nahm an, dass die Bewohner von Floxa II sie womöglich instand gesetzt hatten. Nachträglich montierte Lampen erhellten Weggabelungen und Plätze, auf denen die Symbole des Stammes angebracht waren, dessen Domäne wir gerade durchquerten.
»Diese Orte sind uralt. Wie lange gibt es die Bewohner denn schon hier?«, fragte Susannah Odin.
»Mit ziemlicher Sicherheit sind es Nachkommen der ersten Abwracker, die Siedlungen einrichteten, weil sie hier Arbeit gefunden hatten.«
»Sind wir schon auf dem Grund angelangt?«
»Nein. Es geht noch einige hundert Meter tiefer, aber so weit wollen wir lieber nicht gehen. Ich bin einmal da unten gewesen und möchte die Erfahrung nicht wiederholen.«
»Was fürchtet ein Nefilim in diesen Tiefen?«, fragte Sieraa.
» Ein Nefilim sicher nichts, aber dieser Nefilim hat schon bessere Tage gesehen und ist nicht mehr so wehrhaft, wie er einst war. Im Abgrund bleibt Schwäche nicht ungestraft. Es gibt dort Wesen, die sich selbsttätig aus den Überresten anderer Mechanoiden kreiert haben, weil irgendeine kuriose Mischung aus sich viral verbreitendem, evolutionären Software-Code in ihre Rechenzentren gelangt ist. Dieser Code hat eine unwiderlegbare Eigendynamik entwickelt und scheint sich und seine Träger mittlerweile selbst zu reproduzieren.«
»Du meinst, eine Art künstliches Leben? Wie kann das sein?«, fragte Susannah völlig perplex.
Garsun schüttelte den Kopf. »So etwas hat die Bruderschaft noch nie beobachten können.«
»Die Bruderschaft weiß vieles nicht, was sie gegebenenfalls wissen sollte«, sagte Odin rätselhaft und schwieg
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