Clancy, Tom
praktisch jeder, wo es stand.
Autos fuhren auf der schmalen Straße vorbei und hielten an, damit die Insassen
herüberstarren konnten, ohne zu ahnen, dass eine ganze Batterie von versteckt
installierten Überwachungskameras jedes Nummernschild aufzeichnete, das dann
vom Secret Service auf dem Computer überprüft wurde. Vielleicht errieten die
Gaffer, dass sich in dem halb verborgenen Nebenbau, der rund fünfzig Meter vom
Haupthaus entfernt stand, ständig sechs bewaffnete Leibwächter aufhielten, nur
für den Fall, dass jemand versuchte, durch das Tor und die Einfahrt
hinaufzufahren. Jack wusste, dass sein Vater diesen Aufwand als lästig
empfand. Selbst wenn er nur im nächsten Laden einen Laib Brot oder einen Liter
Milch kaufen wollte, löste er eine ziemlich große Show aus.
Gefangen im goldenen Käfig, dachte Jack.
»SHORTSTOP
kommt«, sagte er zum Wärter am Tor. Eine Kamera würde seine Identität
überprüfen, bevor das Tor geöffnet wurde. Mit seiner Entscheidung, einen Hummer
zu kaufen, hatte er dem Secret Service keine große Freude bereitet, das stand
fest. Das grellgelbe Fahrzeug war ihnen viel zu auffällig.
Er parkte
und stieg aus. Andrea wartete an der Haustür.
»Hatte
keine Gelegenheit mehr, danach mit Ihnen zu reden«, sagte sie. »Was Sie getan
haben, Jack, war großartig. Wenn Sie nicht so aufmerksam gewesen wären ...«
»Dann
hätte er weiter von Ihnen entfernt gestanden, und Ihr Schuss wäre ein wenig
schwieriger gewesen, das ist alles.«
»Möglich.
Trotzdem: Danke.«
»Keine
Ursache. Weiß man schon etwas über den Burschen? Hab gerüchteweise gehört,
dass er zum URC gehört habe.«
Andrea
überlegte kurz. »Ich kann das weder dementieren noch bestätigen«, sagte sie
lächelnd, wobei sie aber das Wort bestätigen deutlich
betonte.
Also hatte der Emir tatsächlich versucht, Dad zu töten, dachte
Jack. Absolut unglaublich, verdammt noch mal. Mühsam unterdrückte er den Impuls, sofort umzudrehen und an seinen
Computer im Campus zurückzukehren. Der Emir war irgendwo dort draußen, und
früher oder später würde er sich nicht mehr mit kleinen Fitnessübungen
zufriedengeben. Leider würde Jack nicht mehr da sein, wenn das geschah.
»Irgendein Motiv?«
»Schockwirkung,
denken wir. Ihr Dad mag ein >Ehemaliger< sein, aber er ist immer noch
sehr populär. Außerdem ist die Logistik für so einen Anschlag überschaubar -
es ist entschieden leichter, einen ehemaligen Präsidenten zu ermorden als einen
amtierenden.«
»Leichter
vielleicht, aber ganz bestimmt nicht leicht. Das haben Sie bewiesen.«
»Wir haben das bewiesen«, sagte Andrea lächelnd. »Vielleicht
möchten Sie sich ein neues Betätigungsfeld suchen?«
Jack
musste grinsen. »Bei Gelegenheit erzähle ich Ihnen mal, was an der Börse
abgeht. Danke, Andrea.« Er ging ins Haus. »Hallo - ich bin da!«, rief er.
»Hallo,
Jack.« Seine Mutter kam aus der Küche, umarmte und küsste ihn. »Du siehst gut
aus.«
»Du auch,
Frau Professorin. Wo ist Dad?«
Sie wies
nach oben. »Im Arbeitszimmer. Er hat Besuch. Arnie ist da.«
Jack ging
die Treppe hinauf und bog nach links zum Arbeitszimmer ab. Dad saß hinter
seinem Schreibtisch, Arnie van Damm hing mit bequem ausgestreckten Beinen in
einem der Clubsessel. »Welche Verschwörung brütet ihr zwei schon wieder aus?«,
fragte Jack beim Eintreten.
»Verschwörungen
funktionieren nicht«, sagte sein Vater müde. Während seiner Präsidentschaft war
darüber viel spekuliert worden, aber sein Vater hatte dafür nur Verachtung
übrig gehabt. Doch einmal hatte er auch darüber gewitzelt, dass er die
Hubschrauberflotte des Präsidenten schwarz streichen lassen sollte, nur um die
Idioten zu ärgern, die überzeugt waren, dass nichts auf der Erde geschehe, das
nicht durch irgendwelche finsteren Verschwörungen ausgelöst worden sei.
Natürlich war es auch nicht sehr hilfreich, dass John Patrick Ryan sr. nicht
nur wohlhabend, sondern auch noch ein früherer Mitarbeiter der CIA war — eine
Kombination, die Verschwörungstheorien geradezu provozieren musste.
»Wie
schade, Pa«, sagte Jack und umarmte seinen Vater kurz. »Wo steckt Sally?«
»Ist
schnell zum Laden, um ein paar Zutaten für den Salat zu kaufen. In Moms Auto.
Was gibt's Neues bei dir?«
»Ich lerne
gerade alles über Währungsarbitrage«, antwortete Jack. »Richtig unheimlich.«
»Schon
irgendwelche Geschäfte selbst getätigt?«
»Na ja,
eigentlich nicht, jedenfalls keine großen, aber ich berate die
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