Clancy, Tom
des Sonnenlichts oder Dichte und Geschwindigkeit
der Wolken und so weiter. Waren diese Werte einmal bestimmt, wurden sie in die
Overlay-Matrix von Collage eingespeist, und die Suche begann.
Collage
hatte zwar einige Erfolge erzielt, aber keine von durchschlagender taktischer
Bedeutung, und Mary Pat hegte den Verdacht, dass das System auch hier versagen
würde. Das lag dann aber weniger am Programm, sondern am Input. Sie wussten ja
nicht einmal, ob der Modelltisch überhaupt etwas Konkretes darstellte, ganz zu
schweigen davon, ob er maßstabsgetreu war oder vielleicht eine Gegend
darstellte, die 15 000 Kilometer vom Hindukusch entfernt lag.
»Wie ist
der Stand bei Lotus?«, fragte Mary Pat. Die NSA hatte alle Nachrichten, die sie
abgefangen hatte, nach Bezügen auf Lotus durchsucht, in der Hoffnung, dabei auf
ein Muster zu stoßen, das eine Grundlage für die Rekonstruktion des NCTC ergab.
Wie das Modell, auf dem Collage beruhte, war auch hier die Zahl der Fragen,
die man beantworten musste, um das Rätsel zu lösen, erschreckend: Wann tauchte
der Begriff zum ersten Mal auf? Wie häufig? Von wo aus wurde er verwendet? Wie
wurde er am meisten gebraucht - per E-Mail, am Telefon, auf Websites oder auf
eine Weise, die ihnen bis jetzt entgangen war? Ging sein Gebrauch schweren Terroranschlägen
voraus oder folgte er ihm? Und so weiter. Dabei konnte man sich nicht einmal
sicher sein, dass Lotus überhaupt wichtig war. Vielleicht hieß die Freundin
des Emirs so — wer wusste das schon?
»Okay,
rechnen wir mit dem Schlimmsten«, sagte Margolin und brachte sie in die
Gegenwart zurück.
»Ich würde
sagen, wir sichern uns ab«, meinte Cummings. »Wir wissen, wo die Höhle ist, und
wir wissen, dass die Reichweite des Signals ziemlich kurz war, nur ein paar
Dutzend Kilometer beiderseits der Grenze. Wenn wir annehmen, dass Lotus
überhaupt etwas bedeutet, dann haben wir eine halbwegs gute Chance, dass es
irgendeine Bewegung ausgelöst hat - Menschen, Logistik, Geld - wer weiß?«
Das
Problem dabei war, überlegte Mary Pat, dass Menschen und Logistik oft besser
mit HUMINT, also mit Agenten vor Ort, zu verfolgen waren als mit elektronischen
Mitteln, und im Moment hatten sie dort so gut wie niemanden.
»Sie
wissen, was ich hier raten würde«, sagte sie zum Direktor des NCTC.
»Das
wünschen wir uns alle, aber die Ressourcen sind einfach nicht da - nicht in dem
Maße, wie wir sie brauchen.«
Dank Ed Kealty und DCI Scott Kilborn, dachte sie
mürrisch. Der Clandestine Service musste, nachdem er fast ein Jahrzehnt lang
seinen Bestand an Führungsoffizieren wieder aufgebaut hatte - einen Großteil
davon unter Plan Blue -, jetzt seine Präsenz in Übersee zurückfahren und sich
stattdessen auf die Nachrichtendienste der Verbündeten verlassen. Männer und
Frauen, die ihr Leben riskiert hatten, um in den öden Gebirgen Pakistans und
Afghanistans Agentennetze aufzubauen, wurden wieder in die Botschaften und
Konsulate zurückbeordert und hörten oft nicht einmal ein Dankeschön.
Gott behüte uns vor dieser kurzsichtigen Politisierung unserer
Geheimdienste.
»Dann
denken wir mal über den Tellerrand hinaus«, sagte Mary Pat. »Wir haben schon
brauchbare Quellen da — nur nicht unsere eigenen. Wenden wir uns doch wieder
mal an unsere Verbündeten.«
»Die
Engländer?«, fragte Turnbull.
»Genau.
Sie haben in Zentralasien mehr Erfahrung als alle anderen, sogar als die
Russen. Fragen schadet nicht. Lassen Sie die toten Briefkästen von jemandem
überprüfen, der nachsieht, ob sie noch benutzt werden.«
»Und
dann?«
Ȇber
diese Brücke gehen wir, wenn wir sie erreichen.«
Am Ende
des Konferenztischs warf Margolin den Kopf zurück und starrte kurz an die
Decke. »Fragen ist nicht das Problem; das Problem ist die Erlaubnis, zu
fragen.«
»Sie
verarschen mich doch«, sagte Cummings.
Leider
nicht, wie Mary Pat wusste. Kilborns Stellvertreter in den Abteilungen
Intelligence und Clandestine hatten zwar nicht so viel Kool-Aid getrunken wie
der DCI, aber immer noch genug. Mit Kilborns Ernennung hatte Präsident Kealty
dafür gesorgt, dass die oberen Ränge der CIA sich an die neue Linie der
Regierung halten würden, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Behörde selbst
oder die Geheimdienste insgesamt.
»Dann
fragen Sie eben nicht um Erlaubnis«, sagte Mary Pat trocken.
»Was?«,
fragte Margolin.
»Wenn wir
nicht fragen, kriegen wir auch kein Nein zu hören. Wir gehen ja nur Hypothesen
nach, oder?
Nichts ist
offiziell, nichts
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