Clancy, Tom
die kabbelige, etwa zwei Meter hohe Dünung in
schäumende, sechs Meter hohe Wellen, die wie die Hand Gottes selbst gegen die
Bugrampe krachten.
Große
Gischtfontänen sprühten über die Seiten des Kastenrumpfs und prasselten wie
Kieselsteine gegen das Steuerhaus. Die Scheibenwischer brauchten immer zehn
Sekunden, um Vitali nach einem solchen Treffer wieder Sicht zu verschaffen,
genau rechtzeitig, dass er einen Blick auf die nächste Welle werfen konnte. Alle
paar Sekunden brachen Tonnen von Seewasser über die Steuerbordreling herein,
schwappten knietief über das Deck und überlasteten die Speigatten, durch die so
viel Wasser nicht schnell genug abfließen konnte. Vitali hatte die Hände fest
an das Steuerrad geklammert und spürte, wie das Ruder immer träger reagierte,
als das eingeschlossene Wasser von einer Seite zur anderen gurgelte.
»Geh unter
Deck, und kümmere dich um die Maschinen und die Pumpen«, wies er Wanja an, der
zum Niedergang schwankte.
Vitali
arbeitete mit den beiden Gashebeln, um den Bug gegen die Wellen gedreht zu
halten. Wenn sich das Boot quer zum Sturm drehte, konnte die unvermeidliche
Rollbewegung es zum Kentern bringen. Das T-4-Landungsboot mit seinem kiellosen
Rumpf konnte sich praktisch nicht mehr von selbst aufrichten, wenn die
Schlagseite erst einmal fünfzehn Grad überschritt. Geriet es in einen
Wellentrog und schlug um, sank es innerhalb von zwei Minuten.
Andererseits
kannte Vitali nur zu gut die Belastungsgrenzen der Bugrampen. Obwohl er und
Wanja hart daran gearbeitet hatten, die Rampe sicher und wasserdicht zu
machen, war sie nun einmal dafür gebaut, an einem Strand aufgeklappt und
heruntergelassen zu werden, um Soldaten anzulanden. Mit jeder gegen sie krachenden
Welle zitterte die Rampe, und sogar über das Brausen des Sturms konnte Vitali
das Hämmern von Metall auf Metall hören — das waren die zolldicken Sicherungsbolzen.
Die
nächste Welle erhob sich über die Reling und brach; die eine Hälfte wurde
abgeschert und schäumte über das Deck, die andere krachte gegen die Fenster des
Steuerhauses. Das Boot ruckte nach backbord. Vitali verlor den Halt, wurde nach
vorn geschleudert und knallte mit der Stirn gegen die Steuerkonsole. Er kam
wieder auf die Beine und blinzelte; irgendetwas Nasses, Warmes lief ihm die
Schläfe hinunter. Er nahm eine Hand vom Steuer und strich über seine Stirn; an
seinen Fingern sah er Blut. Nicht so schlimm, entschied er. Ein paar Stiche
würden genügen.
Aus der
Gegensprechanlage kam Wanjas gedämpfte Stimme: »Pumpe ... ausgefallen ...
versuche ... wieder anzulassen ...«
Verdammt. Sie konnten zwar auch mit einer Pumpe weniger
auskommen, aber Vitali wusste, dass die meisten Schiffe nicht wegen eines
einzigen Ausfalls gesunken waren, sondern durch einen Dominoeffekt: Ein
Schaden kam zum nächsten, bis die lebenswichtigen Funktionen des Bootes
versagten. Und wenn das hier draußen passierte ... Lieber nicht daran denken.
Eine
Minute verging, dann meldete sich Wanja erneut: »Pumpe läuft wieder!«
»Verstanden!«,
bestätigte Vitali.
Von unten
hörte er jemanden brüllen: »Nein, nicht! Komm zurück!«
Vitali
schlitterte nach rechts und drückte das Gesicht gegen die Scheibe. Achtern sah
er eine Gestalt durch die Kabinentür taumeln und auf das schwankende Deck
laufen. Es war einer von Freds Männern.
»Was zum
Teufel ...«
Der Mann
stolperte, fiel auf die Knie. Erbrochenes schoss aus seinem Mund. Der Mann war
in Panik, erkannte Vitali. Eingeschlossen unter Deck, wie er war, hatte sein
Fluchtinstinkt das logische Denken überwältigt.
Vitali
griff nach dem Mikrofon der Sprechanlage. »Wanja, da ist einer auf dem
Achterdeck ...«
Das Heck
wurde in die Luft geschleudert. Als es wieder herunterkam, traf eine Querwelle
die Steuerbordseite. Der Mann, der bereits den Halt verloren hatte, wurde zur
Seite und gegen die Reling geschleudert. Dort hing er einen Moment lang schlaff
wie eine Stoffpuppe, die Beine an Deck, den Rumpf in der Luft, dann kippte er
vornüber und verschwand.
»Mann über
Bord, Mann über Bord!«, rief Vitali jetzt über die Bordsprechanlage. Er spähte
durch die Fenster, suchte nach einer Lücke in den Wellenkämmen, um beidrehen
zu können.
»Nicht«,
hörte er eine Stimme hinter sich.
Als er
sich umdrehte, stand Fred hinter ihm oben auf dem Niedergang, beide Hände um
das Geländer geklammert. Sein Hemd war mit Erbrochenem verschmiert.
»Was?«,
fragte Vitali.
»Er ist
tot. Vergessen Sie ihn.«
»Sind
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