Clancy, Tom
taucht im Budget auf. Wir fischen nur herum. Das sollen wir
ja, das ist unser Job. Seit wann brauchen wir eine Genehmigung, wenn wir kurz
bei einem Verbündeten nachfragen?«
Margolin
sah sie einige Augenblicke lang scharf an, dann zuckte er mit den Schultern.
Die Geste sagte alles und nichts. Sie kannte ihren Boss gut genug, um zu
wissen, dass sie bei ihm eine Saite angeschlagen hatte. Genau wie sie hing
Margolin an seinem Beruf, aber zuallererst wollte er seine Arbeit ordentlich
machen.
»Wir haben
nicht darüber gesprochen«, erklärte Margolin. »Ich versuch's erst mal auf dem
Dienstweg. Wenn wir nicht durchkommen, machen wir's auf Ihre Weise.«
Das hier war das echte Russland, dachte Vitali, mit den
härtesten Wintern eines Landes, das ohnehin für sein schlechtes Wetter berühmt
war. Die Eisbären hatten sich fett gefressen und eine dicke isolierende
Speckschicht angelegt, genug, damit sie monatelang Winterschlaf in Höhlen
halten konnten, die sie zwischen den Eisrücken und Seracs anlegten, und nur hin
und wieder aufwachen mussten, um sich eine Robbe zu holen, die sich zu nahe an
ein Atemloch herangewagt hatte.
Vitali
stand auf und schüttelte sich wach, dann schlurfte er in die Kombüse, um
Wasser für den Morgentee aufzusetzen. Die Temperatur lag knapp über null -
hier oben war das ein milder Herbsttag. Über Nacht hatte sich kein neues Eis
gebildet, zumindest nichts, was sein Boot nicht zerdrücken oder umfahren
konnte, aber das Deck war mit drei Zentimetern gefrorenem Eisregen bedeckt,
den er und Wanja noch weghacken mussten, damit das Boot nicht topplastig
wurde. In diesen Gewässern zu kentern bedeutete den sicheren Tod; ohne
Schutzanzug war man in vier Minuten bewusstlos und in fünfzehn erfroren. Er
hatte zwar genug Anzüge für alle an Bord, aber seine Passagiere hatten sich
kaum für ihren Gebrauch interessiert.
Die
Charterkunden waren schon wach, sie stampften mit den Füßen und schlugen sich
die Arme um die Brust. Einige zündeten sich Zigaretten an und gingen dann nach
achtern zur primitiven Toilette. Alle aßen ihr Brot und die gefrorene Butter,
die es zum Frühstück gab.
Vitali
ließ ihnen eine Stunde Zeit, um in Gang zu kommen, dann startete er die Dieselmotoren
und setzte von der Kiesbank zurück, an der sie die Nacht verbracht hatten.
Seine Seekarten lagen bereit, und er fuhr mit zehn Knoten in östlicher
Richtung. Wanja wechselte sich mit ihm am Ruder ab. Sie hatten ein altes, aber
funktionierendes Mittelwellenradio. Meistens hörten sie klassische Musik von
einem Sender in Archangelsk; das half, die Zeit zu vertreiben. Bis zu ihrem
Ziel lagen noch zehn Stunden Fahrt vor ihnen, ungefähr 160 Kilometer. Zehn
Stunden mit zehn Knoten Fahrt, laut Seekarte.
»Das sieht
nicht gut aus«, meinte Wanja und zeigte nach steuerbord voraus.
Am
Horizont im Osten stand eine Reihe aufgequollener schwarzer Wolken, und zwar
so tief, dass sie mit dem Meer zu verschmelzen schienen.
»Ganz und
gar nicht«, stimmte Vitali zu. Und es würde, wie er wusste, noch schlimmer
kommen. Um ihr Ziel zu erreichen, mussten sie das Sturmgebiet durchqueren -
entweder das oder einen weiten Umweg fahren oder sogar das Boot anlanden.
»Hol doch
mal Fred nach oben«, sagte Vitali.
Wanja ging
unter Deck und kam kurz darauf mit dem Anführer der Charterkunden zurück. »Was
ist das Problem, Kapitän?«
Vitali
zeigte aus dem Fenster auf die Sturmfront. »Das.«
»Regen?«
»Hier
regnet es nicht, Fred, es stürmt. Die Frage ist immer nur, wie schlimm. Und das
da sieht wirklich schlimm aus, fürchte ich.« Und ganz besonders schlimm für ein T-4-Landungsboot mit Kastenrumpf und
einem Meter Tiefgang, verkniff er sich hinzuzufügen.
»Wie
lange, bis wir drin sind?«
»Noch drei
Stunden - vielleicht ein bisschen länger.«
»Können
wir das abwettern?«
»Wahrscheinlich,
aber hier oben ist nichts sicher. Auf jeden Fall wird es eine extrem raue
Fahrt.«
»Welche
Wahl haben wir?«, fragte Fred.
»Zurück zu
unserem Übernachtungsplatz oder ein Umweg nach Süden um den Sturm herum. Beides
würde uns etwa ein oder zwei Tage kosten.«
»Ist nicht
drin«, erwiderte Fred.
»Es wird
riskant, da durchzufahren - und Sie und Ihre Leute werden seekrank werden. Das
ist kein Vergnügen ...«
»Wir
kommen schon zurecht. Vielleicht hilft Ihnen ein Bonus über diese
Unannehmlichkeit hinweg?«
Vitali
zuckte mit den Schultern. »Es liegt nur an Ihnen. Ich bin dabei.«
»Dann
fahren Sie weiter.«
Zwei
Stunden später
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