Clancy, Tom
nicht der Name war, den sie
ihm bei der Geburt gegeben hatten. Seine Augen musterten sie, taxierten sie.
Daran war sie gewohnt. Dieser Wie-gut-ist-sie-auf-der-Matratze-Blick. Nun, er hatte gute Gründe anzunehmen, dass sie auf der Matratze
ziemlich gut war. Sein Boss hatte sich jedenfalls nicht beschwert, sondern
hatte sie sogar übertariflich entlohnt. Auch daran war sie gewohnt. Ja, genau, so gut war sie. Melinda hatte eine Menge Stammkunden,
manche kannte sie sogar bei ihren richtigen Namen, oder jedenfalls behaupteten
sie, dass es ihre richtigen Namen seien. Allerdings hatte sie ihnen eigene
Namen gegeben, die häufig etwas mit ihrer Schwanzlänge zu tun hatten. Oder mit
der Farbe, wie in diesem Fall, dachte sie und unterdrückte ein Kichern, obwohl
sie das Lächeln nicht unterdrückte, von dem Ernest ruhig annehmen durfte, dass
es ihm persönlich galt. Solche Dinge machte sie beinahe instinktiv. Und
blätterte in Gedanken in einem Bündel Dollarnoten.
»Möchten
Sie heute mit mir kommen?«, fragte er fast schüchtern. Männer wussten
instinktiv - jedenfalls die cleveren Männer -, dass Schüchternheit eine der
wichtigsten Eigenschaften war, die Frauen antörnen.
»Gern«,
sagte sie ein klein wenig zögernd. Denn genauso gut wirkte leichte
Unschlüssigkeit in der anderen Richtung. »Um Ihren Freund zu besuchen?«
»Vielleicht.«
Sein erster Fehler. Ernest würde sie am liebsten selbst vernaschen. Sie mochte
zwar eine Schlampe sein, aber als Geliebte war sie perfekt; außerdem hatte
sie jede Menge Berufserfahrung, und seine Triebe funktionierten genauso wie bei
den meisten anderen Männern. »Würden Sie mich bitte begleiten?«
»Mit
Vergnügen.«
Es war nur
eine kurze Fahrt, was Melinda sehr überraschte. Eine Wohnung direkt in der
Stadt, ein Apartment der obersten Preisklasse mit einer eigenen separaten
Untergrundgarage. »Ernest« stieg aus und öffnete ihr galant die Tür. Er führte
sie zu den Liften und drückte auf einen Knopf. Melinda kannte das Gebäude
nicht, aber das Äußere hob sich deutlich genug von anderen Gebäuden ab, um es
nicht so schnell zu vergessen. Also besaß John auch noch eine Wohnung in der
Stadt? Für wen war das wohl bequemer, für sie oder für ihn?, fragte sie sich.
Oder vielleicht hatte er sie in guter Erinnerung behalten. Nach ihrer
Erfahrung passierte das ziemlich oft.
»John«
stand vor dem Durchgang zur Küche und hielt ein hübsches Kristallglas mit
Weißwein in der Hand.
»Hallo,
John, was für eine wunderbare Überraschung«, flötete sie und legte zur
Begrüßung ihr strahlendstes Lächeln auf. Es war ein besonders wirksames Lächeln,
eines, das jedem Mann einen Extraschub Blut in die Herzkranzgefäße jagte und
natürlich erst recht in ein anderes Organ. Sie ging auf ihn zu und küsste ihn
zuerst, bevor sie das angebotene Glas in Empfang nahm. Dann ein winziger
Schluck. »John, du hast den besten Weingeschmack. Italienisch?«
»Pinot
Grigio«, nickte er.
»Die
Italiener haben auch die beste Küche.«
»Stammen
deine Vorfahren aus Italien?«, fragte John.
»Nein, aus
Ungarn«, gab sie zu. »Beim Gebäck sind wir unschlagbar, aber die Italiener
haben die besten Kalbfleischgerichte der Welt.« Noch ein Hallokuss. John war
ein wenig eigenartig, aber er küsste wirklich gut. »Wie geht es dir?«
»Die
Reiserei macht mir wirklich zu schaffen«, gestand er ihr, was in Wahrheit
allerdings momentan nicht zutraf.
»Wohin
musstest du denn reisen?«, erkundigte sich Melinda.
»Paris.«
»Hat dir
der französische Wein gemundet?«
»Der
italienische ist besser«, antwortete er. Der Small Talk begann ihn zu
langweilen. Schließlich war sie nicht hier, um ihm ihre Redekunst zu beweisen.
Darüber verfügten ohnehin alle Frauen, Melindas Künste gingen aber in eine
andere Richtung. »Deine Kleider sind hübsch«, bemerkte er.
Vor allem kann man sie besonders schnell ausziehen, dachte
sie, aber das behielt sie für sich. Das war bei der Auswahl ihrer
Berufskleidung entscheidend. Manche Männer mochten ihre Frauen völlig nackt,
aber eine überraschend große Zahl bevorzugten den Quickie mit einer teilweise
bekleideten Frau: Rock hochgerafft, über einen Tisch oder eine Couch gebeugt,
BH noch an, aber die Titten raus ... John mochte auch Oralsex auf den Knien,
was ihr eigentlich nichts ausmachte, solange er die Kontrolle behielt. »Ach,
die Klamotten habe ich nur schnell zusammengesucht«, log sie. »Du hast ein
nettes Apartment.«
»Es liegt
günstig und ist komfortabel.
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