Clancy, Tom
Humor, war eine Beschreibung, die er schon öfter gehört hatte.
Clark hatte jedoch ganz andere Erfahrungen gemacht.
Ihm war
noch nie ein schlechter Saudi begegnet. Einige von ihnen hatte er bei seiner
Arbeit für die CIA sogar recht gut kennengelernt. Diese Leute hatten ihm auch
die Sprache beigebracht. Sie waren alle tief religiöse Anhänger des
wahhabitischen Islam gewesen. In der Inbrunst ihrer sunnitischen Andacht
ähnelten sie den Baptisten in den amerikanischen Südstaaten. Damit hatte er
kein Problem. Einmal hatte er eine Moschee besucht, um einen
Gebetsgottesdienst zu beobachten. Dabei hatte er sich möglichst unauffällig im
hinteren Teil des Gebetsraums aufgehalten. Obgleich er das Ganze hauptsächlich
als Sprachlehrstunde betrachtete, war ihm doch die Ernsthaftigkeit ihres
Glaubens aufgefallen. Er hatte sich mit seinen saudischen Freunden öfter über
deren Religion unterhalten. Dabei hatte er nichts gehört, was bei ihm Anstoß
erregt hätte. Zwar war es sehr schwer, mit Saudis Freundschaft zu schließen,
aber ein echter Saudi würde mit dem eigenen Körper die Kugel auffangen, die
seinem Freund gegolten hatte. Ihre religiösen Gebote auf dem Gebiet der
Gastfreundschaft waren wirklich bewundernswert. Außerdem verbot der Islam jede
Form von Rassismus, was man vom Christentum betrüblicherweise nicht sagen
konnte.
Ob der
Emir ein frommer Moslem war oder nicht, konnte Clark nicht sagen, aber der Mann
war ganz bestimmt kein Dummkopf, das zeigte AESOP deutlich. Er war von Natur
aus geduldig, aber auch, wenn nötig, schnell entschlossen und handlungsfähig. Eine seltene Kombination, dachte Clark, obwohl dies
gelegentlich auch auf ihn selbst zutraf. Geduld war eine schwer zu erreichende
Tugend, vor allem für jemand, der sein Leben einem ganz bestimmten Ziel
gewidmet hatte.
Clarks
Computerhandbuch enthielt auch ein Verzeichnis des gesamten internen digitalen
Archivs der Agency. Außerdem hatte er über den Passwort-Zugangspunkt EMIR auf
weitere Links Zugriff. Also begann Clark durch diese Daten zu surfen. Was
wusste Langley über diesen Kerl? Welche Außenagenten hatten früher einmal mit
ihm zusammengearbeitet? Welche Anekdoten über ihn hatten sie aufgeschrieben?
Besaß jemand den Schlüssel zum Charakter dieses Mannes?
Schließlich
beendete Clark seine Suche und schaute auf die Uhr. Inzwischen war eine ganze
Stunde vergangen. »Wie die Zeit verfliegt«, murmelte er und griff zum Telefon,
um Hendley anzurufen: »Gerry, hier ist John. Hätten Sie eine Minute Zeit für mich?
Tom sollte vielleicht auch kommen ...«
Zwei
Minuten später saß er im Büro des Chefs. Nach einer weiteren Minute kam Tom
Davis, der Personalchef des Campus, herein.
»Um was
geht es?«
»Ich habe
vielleicht einen Kandidaten für uns«, sagte Clark. Bevor jedoch einer der
beiden anderen die naheliegende Frage stellen konnte, fuhr er fort: »Der Vorschlag
kommt von Jack Ryan - natürlich dem Senior.«
Dies
erregte Hendleys Aufmerksamkeit. Er beugte sich in seinem Stuhl nach vorn und
faltete die Hände über seiner Schreibtischunterlage. »Fahren Sie fort.«
»Fragen
Sie mich bitte nicht nach den näheren Umständen, da ich nicht alle
Einzelheiten kenne, aber da gibt es einen Ranger, einen alten Haudegen namens
Driscoll, der in ziemlichen Schwierigkeiten steckt. Angeblich möchte Kealty an
ihm ein Exempel statuieren.«
»Was wird
dem Mann vorgeworfen?«
»Es geht
um einen Einsatz im Hindukusch. Driscoll hat dort in einer Höhle ein paar
gegnerische Kräfte getötet, während diese noch schliefen. Kealty und sein Justizminister
wollen ihn jetzt wegen Mord drankriegen.«
»Guter
Gott!«, murmelte Davis.
»Kennen
Sie diesen Mann?«, fragte Hendley.
Clark
nickte. »Vor etwa zehn Jahren, kurz bevor Rainbow gegründet wurde, hatte ich
einen kleinen Job in Somalia zu erledigen. Ein Rangerteam sorgte dabei für
meinen Schutz. Einer von ihnen war Driscoll. Wir blieben danach in Verbindung
und tranken ab und zu ein Bier miteinander. Ein tapferer Mann.«
»Wie weit
ist diese Sache im Justizministerium gediehen?«
»Die
Army-CID hat gerade ein Ermittlungsverfahren eröffnet.«
Hendley
seufzte und kratzte sich am Kopf. »Und was hat Jack gemeint?«
»Er
erzählte mir das aus einem ganz bestimmten Grund. Er weiß, dass ich inzwischen
hier arbeite.«
Hendley
nickte. »Das Wichtigste zuerst: Wenn das Weiße Haus dahintersteckt, kommt
Driscoll auf keinen Fall ungeschoren davon.«
»Ich bin
mir sicher, dass er das
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