Clancy, Tom
sie einen Streifenwagen und zwei Beamte
verloren. Und wenn ich >verloren< sage, meine ich, dass sie schlicht und
einfach verschwunden sind.«
»Allmächtiger
Gott«, rief Chavez.
»Den gibt
es nicht in diesem Viertel«, murmelte Embling.
In den
nächsten zwanzig Minuten fuhren sie immer tiefer nach Hayatabad hinein. Die
Straßen wurden immer enger und die Häuser immer baufälliger, bis sie nur noch
an Hütten aus Wellblech und Teerpappe vorbeikamen. Aus den dunklen Eingängen
beobachteten ausdruckslose Augen Emblings Range Rover. An jeder Ecke standen Gruppen
von Männern zusammen, die etwas rauchten, das Clark nicht unbedingt für Tabak
hielt. Auf den Gehsteigen lag Müll, der immer wieder mit kleinen Staubwirbeln
durch die Straßen geweht wurde.
»Mit einer
Waffe würde ich mich hier bedeutend wohler fühlen«, flüsterte Chavez.
»Keine
Angst, Jungs. Wie es der Zufall will, fährt die Spezialeinsatztruppe der
pakistanischen Armee gern Range Rover mit getönten Fenstern. Wenn Sie jetzt hinter
sich schauen, werden Sie einen Mann über die Straße rennen sehen.«
Chavez
drehte sich um. »Ich sehe ihn.«
»Wenn wir
zur nächsten Straße kommen, werden wir dort nur noch geschlossene Türen
vorfinden.«
John Clark
lächelte. »Mr. Embling, ich sehe, dass wir den richtigen Mann gefunden haben.«
»Sehr
freundlich von Ihnen. Ich heiße übrigens Nigel.«
Als sie das nächste Mal abbogen, fanden sie sich in einer
Straße voller Läden aus Betonschalsteinen und mehrstöckiger Wohnhäuser aus
ungebrannten Ziegeln und Holz wieder. Die Fassaden waren oft brandgeschwärzt
oder von Kugeleinschlägen übersät oder sogar beides.
»Willkommen
im Extremistenhimmel«, verkündete Embling. Im Vorbeifahren deutete er auf
einzelne Gebäude und deklamierte dabei die Namen der Terrorgruppen, die darin
hausten: Lashkar-e-Omar, Tehrik-i-Safaria Pakistan, Sipahe-Mohammed Pakistan,
Nadeem Commando, Populär Front for Armed Resistance (Volksfront für
bewaffneten Widerstand), Harkat-ul-Mujahideen Al-Islami ... Nach der nächsten
Straßenbiegung ging die Liste weiter. »Natürlich sind das keine offiziellen
Hauptquartiere«, sagte er, »sondern eher so etwas wie unsere Klubs oder die
Verbindungshäuser an Universitäten. Gelegentlich führt die Polizei oder die
Armee in einem von ihnen eine Razzia durch. Manchmal verschwindet dann diese
Gruppe ganz, um am nächsten Tag wieder aufzutauchen.«
»Wie viele
sind es im Ganzen?«, fragte Clark.
»Offiziell
fast vierzig, aber es werden immer mehr. Das Problem ist nur, dass der ISI
diese Zählungen anstellt«, antwortete er und bezog sich dabei auf das Directorate
for Inter-Services Intelligence, Pakistans Gegenstück zur CIA. »Der
Militärgeheimdienst ISI ist der sprichwörtliche Fuchs, der den Hühnerstall
bewacht. Die meisten dieser Gruppen erhalten von ihm Gelder und andere
Unterstützung, oder er beliefert sie mit Nachrichten. Das Ganze ist so
unübersichtlich geworden, dass wahrscheinlich selbst der ISI es inzwischen
aufgegeben hat, die Gruppen genau zu zählen.«
»Diese
Beschädigungen an den Häusern dort, stammen die von Polizeirazzien?«, fragte
Chavez.
»Nein,
nein. Das ist das Werk des Umayyad Revolutionary Council. Die geben hier
inzwischen zweifellos den Ton an. Wenn einer der kleineren Fische hier im Teich
in die falsche Richtung schwimmt, kommt der große Hai URC und frisst ihn. Der
Unterschied zu den staatlichen Behörden ist nur, dass diese Gruppen danach nie
wieder auftauchen.«
»Eine
Lektion für die anderen«, kommentierte Clark.
»Exakt.«
Durch die
Windschutzscheibe sahen sie in diesem Moment einige Kilometer entfernt eine
Rauchwolke in den Himmel steigen. Wenige Augenblicke später spürten sie im
Bauch die Erschütterung der Explosion. »Eine Autobombe«, sagte Embling
gleichmütig. »Durchschnittlich passiert das hier dreimal am Tag. Dazu kommen
noch ein paar Granatangriffe zur Abrundung. Nach Einbruch der Dunkelheit wird
es dann wirklich interessant. Ich nehme an, Sie können auch bei lautem Gewehrfeuer
gut schlafen, oder?«
»Das ist
sozusagen unser Markenzeichen«, antwortete Clark. »Ich muss sagen, Mr. Embling,
Sie zeichnen ein ziemlich düsteres Bild von Peshawar.«
»Dann habe
ich Ihnen ein zutreffendes Bild dieser Stadt vermittelt. Ich lebe mit einigen
Ausnahmen seit fast vier Jahrzehnten in diesem Land. Meiner Meinung nach steht
Pakistan auf der Kippe. In ein oder zwei Jahren wissen wir es dann genau,
trotzdem bin ich heute schon davon
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