Clancy, Tom
wahrscheinlich schon
einmal gemacht.«
»Ein oder
zwei Mal«, sagte Clark. Eher hundert
Mal. Zwar waren tote Briefkästen heute eher selten, aber die
Überwachungsmethoden, die sie hier anwenden würden, waren ihnen längst in
Fleisch und Blut übergegangen. Solange sie auf die Zielperson warteten, würde
die Langeweile ihr ärgster Feind sein. Wenn man sich langweilte, wurde man
leicht unaufmerksam und übersah etwas. Außerdem beschäftigte Clark eine weitere
Frage. Wie lange sollten sie hier in Peshawar vergeblich darauf warten, dass
jemand die toten Briefkästen bediente, bevor sie zu dem Schluss kamen, dass
hier kein Informationsaustausch stattfand?
»Also
gut«, sagte Nigel. »Ich fahre den Wagen etwas näher an das Kohati-Tor heran.
Ich halte mit euch über mein Handy Kontakt.«
Gerade als
die ersten Händler die Sonnensegel über ihren Ladeneingängen aufschlugen und
ihre Tische herausstellten, übernahm Chavez die erste Überwachungsschicht.
»Bin auf Position«, funkte er.
»Roger«,
antwortete Clark in sein Halsmikrofon. »Sag mir, wenn du Nigel vorbeifahren
siehst.«
Zehn
Minuten vergingen. »Ich sehe ihn. Er fährt am Kohati-Tor vorbei. Jetzt parkt
er.«
Nun heißt es warten, dachte Clark.
Während
die Altstadt zum Leben erwachte und immer mehr Touristen und Einheimische in
sie hineinströmten, drehten Clark, Chavez und Embling ihre Runden in dem
Viertel um das Kohati-Tor. Der Wachwechsel fand ohne besonderes Zeichen statt.
Wer immer gerade die im Stadtplan eingetragene Signalstelle überwachte,
versuchte möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Er hielt vor einem
benachbarten Laden an, um mit dem Eigentümer um ein Glasperlenhalsband oder ein
geschnitztes Holzkamel zu feilschen, er machte Dutzende Fotos vom Tor und den
umliegenden Gebäuden und plauderte mit dem einen oder anderen Einheimischen,
der sich dafür interessierte, woher er stammte und warum er nach Peshawar
gekommen war. Gleichzeitig konzentrierte er sich doch ständig auf den Lehmziegel
in der Wand des Gässchens gegenüber des Tores, auf dem Embling das
Kreidezeichen hinterlassen hatte.
Um 11.15 Uhr hatte Clark gerade wieder einmal den Wachdienst
übernommen, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter klopfte. Als er sich
umdrehte, erblickte er einen Polizisten. »Amerikaner?«, fragte ihn der Mann mit
einem starken Akzent.
Clark
schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. »Nein, Kanadier.«
»Pass.«
Clark reichte ihm diesen. Der Polizist studierte ihn dreißig Sekunden lang.
Dann klappte er ihn wieder zu und gab ihn zurück. Er zeigte auf Clarks Digitalkamera.
»Was für Bilder?«
»Entschuldigung?«
»Du
Fotograf. Was?«
Clark
deutete mit einer ausladenden Armbewegung auf die umstehenden Gebäude.
»Architektur. Ich arbeite für die National
Geographie. Wir machen eine Reportage über Peshawar.«
»Hast du
Genehmigung?«
»Ich
wusste nicht, dass ich eine brauche.«
»Genehmigung.«
Clark
verstand. Bakschisch. In der
islamischen Welt konnte dieser Begriff sowohl ein Almosen für einen Bettler,
ein Trinkgeld oder auch die eindeutige Aufforderung zur Bestechung bedeuten,
was hier zweifellos der Fall war. »Wie viel kostet die Genehmigung?«
Der
Polizist musterte Clark von oben bis unten, wohl um seinen Wert abzuschätzen.
»Fünfzehnhundert Rupien.«
Das waren
etwa zwanzig Dollar. Clark holte ein Bündel zerknitterter Geldscheine aus der
Tasche und zählte die geforderte Summe ab.
»Nur ein
Tag hier?«
»Ich komme
wahrscheinlich morgen wieder«, sagte Clark mit einem freundlichen Lächeln. »Kann
ich für diese Genehmigung jetzt im Voraus zahlen?«
Der
Polizist strahlte plötzlich über sein ganzes, bisher so versteinertes Gesicht.
»Yes, Sir.«
»Gibt es
einen Rabatt, wenn man im Voraus zahlt?« Die meisten Pakistaner waren geborene
Händler und deshalb leicht beleidigt, wenn ihr Gegenüber nicht ein wenig mit
ihnen feilschen wollte.
»Vierzehnhundert
Rupien.«
»Zwölf.«
Und dann,
wie vorauszusehen: »Dreizehn.« Clark überreichte ihm die Geldscheine. Der
Polizist nickte und machte sich davon.
»Was hat
er gewollt, Boss?«, fragte ihn jetzt Chavez über Funk.
»Mich
erpressen. Alles in Ordnung, wir haben uns geeinigt.«
Plötzlich
war Emblings Stimme zu hören: »Ein Fisch zupft am Köder, John.«
Clark hob
seine Kamera, hielt sie ans Auge und drehte sich wie ein Tourist auf der Suche
nach einem guten Motiv ganz langsam um, bis er die Gasse neben dem Kohati-Tor
im Sucher hatte. Ein Junge von
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