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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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Dutzenden
Schiffsfriedhöfen an der Barents- und der Karasee. Die meisten waren voller
Schiffe, die irgendwo in einem Inventar einfach als »vertäut, zu verschrotten«
verzeichnet waren. Niemand hatte Adnan gesagt, wie seine Oberen von diesen
Orten erfahren hatten, und er kannte auch nicht die Einzelheiten dessen, was
binnen Kurzem als das folgenreichste Geheimdienstversagen der Neuzeit gelten
würde.
    Das Schiff
hatte bestimmt einen Namen und eine Registriernummer, aber beide hatten nicht
in Adnans Anweisungen gestanden. Was er hatte, war eine Karte mit dem
Liegeplatz und eine grobe Skizze des Frachtraums und der Decksluken; dieser
Plan stammte offensichtlich weder von Atomflot noch vom Hersteller, sondern
eher aus einer unmittelbaren Quelle, wahrscheinlich von einem
Besatzungsmitglied. Adnan kannte außerdem die Geschichte des Schiffes und wie
es hierher gekommen war.
    1970 als
Nukleartender für Atomflot in Dienst gestellt, sollte es abgebrannte Brennstäbe
und defekte Bauteile ziviler atomgetriebener Schiffe auf See aufnehmen und sie
zur Entsorgung an Land zurückbringen. Im Juli 1986 war es, überladen mit
hochradioaktiven Brennstäben eines havarierten Eisbrechers, in schwerer See
vom Kurs abgekommen und hatte Schiffbruch erlitten, wobei Meerwasser in den
Frachtraum eingedrungen war und die Brennstäbe losgerissen hatte. Die
Mannschaft des Schiffes, 42 Seeleute, war so schwer verstrahlt worden, dass
sie alle starben, bevor Rettungsschiffe eintrafen. Moskau wollte der Welt
nicht noch ein Desaster vom Typ Tschernobyl eingestehen müssen - das lag damals
erst drei Monate zurück — und ließ das Schiff in eine vergessene Bucht an der
Ostküste Nowaja Semljas schleppen und dort einfach liegen.
    Das
Versehen, dass danach auch andere Schiffe hier angelandet worden waren, war
katastrophal, aber das war das Wesen der Bürokratie, überlegte Adnan. Irgendwann
war der Regierung ihr Fehler sicher aufgefallen, aber da konnte man schon
nichts mehr unternehmen. Die Bucht wurde zum Sperrgebiet erklärt, und das Geheimnis
blieb gewahrt. Gelegentlich wurden wahrscheinlich Messtrupps geschickt, die
überprüften, ob der Rumpf des Schiffes noch dicht war, aber mit der Zeit änderten
sich die Prioritäten, und der Vorfall verschwand in den geheimen Tiefen der
Geschichte des Kalten Kriegs in der Sowjetunion.
    Aus den Augen, aus dem Sinn, sagten sie doch, dachte
Adnan.
     
    Das Schiff ankerte an der Nordseite der Bucht, fünfzig Meter
vor der Küste und dem Blick durch zwei Massengutfrachter verborgen. Sie
brauchten weitere vierzig Minuten für den Weg um die Bucht herum.
    Sie
begannen ihre Ausrüstung auszupacken. Zuerst die gummiimprägnierten
Chemieschutzanzüge Typ LI, gefolgt von Gummistiefeln und Gummihandschuhen. Wie
der größte Teil ihrer Ausrüstung stammten sie aus Armeebeständen: Sie waren
olivfarben, steif und stanken nach frischer Farbe. Als alle Reiß- und
Schnappverschlüsse abgedichtet waren, legten alle eine GP-6-Atemmaske
sowjetischen Typs an.
    »Wie gut
schützen die?«, fragte einer der Männer mit gedämpfter Stimme.
    »Sie sind
für Kurzzeitbelastung berechnet«, erwiderte Adnan. Ein klein wenig bedauerte
er die Lüge, aber da konnte er nichts machen. Selbst wenn die Anzüge nicht über
zwanzig Jahre alt gewesen wären, hätten sie doch kaum gegen etwas anderes als
chemische und biologische Gifte gewirkt.
    Die Männer
würden zwar wahrscheinlich auch dann weitermachen, wenn sie das wahre Ausmaß
der Gefahr gekannt hätten, aber er konnte kein Risiko eingehen. »Solange wir
innerhalb einer Stunde wieder draußen sind, gibt es keine Spätschäden.« Auch
das war eine Lüge.
    Sie
schoben die Schlauchboote ins Wasser, stiegen hinein und fuhren über die Bucht
los in Richtung auf die Zugangsleiter des Schiffes, die mittschiffs bis fast
auf die Wasserlinie hinabreichte. Warum, das wusste Adnan nicht; von der
Mannschaft hatte ja niemand überlebt. Vielleicht hatten Regierungsbeamte das
Schiff irgendwann inspiziert.
    Sie
vertäuten die Schlauchboote an der Leiter und kletterten hinauf. Die Leiter
schwankte und klapperte unter ihren Füßen. Das Relinggatter oben war geschlossen,
aber nach ein paar Schlägen mit der Handfläche bekam Adnan den Riegel los und
schob es auf.
    »Bleibt
zusammen, und achtet auf Schwachstellen im Deck«, sagte Adnan. Er überprüfte
seine Skizze, dann wandte er sich nach achtern, um sich zu orientieren. Die zweite Luke nach unten, dachte er, eine Leiter hinunter, dann nach rechts ...
    Sie

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