Clancy, Tom
Waschbecken, öffnete die unterste Schublade und holte die
9-mm-Jarygin-Pistole heraus, die er dort versteckt hatte. Er zog den Verschluss
drei Zentimeter weit zurück, um sicherzugehen, dass eine Patrone im Lauf war,
spannte den Hahn, löste die Sicherung und steckte die Pistole in die
Jackentasche. Zuletzt nahm er noch eine Plastiktasse vom Trockengestell.
Er stieg
wieder hinauf ins Steuerhaus.
»Kaffee«,
sagte er und reichte Salychow mit der Linken die Tasse. Der Kapitän drehte
sich um und griff danach. Adnan zog die Jarygin und schoss ihm in die Stirn.
Blut und Gehirnmasse spritzten gegen das Seitenfenster. Salychow sank rückwärts
zusammen und rutschte am Schott zu Boden. Adnan schaltete auf der Steuerkonsole
den Autopiloten ein, dann griff er Salychow an den Knöcheln, schleppte ihn zur
Leiter und rollte ihn in die Kajüte hinunter.
Wieder am
Steuer, überprüfte er zunächst ihre Position mit dem alten Loran-C-Gerät, dann
schaltete er den Autopiloten wieder aus und korrigierte den Kurs.
Die dunkle Linie der Insel erschien eine Stunde später am
Horizont, und eine weitere Stunde danach nahm Adnan das Gas zurück und folgte
der Küstenlinie nach Osten, bis die Anzeige des Loran-C die richtigen Koordinaten
zeigte.
Die Insel
hieß Kolgujew und gehörte laut Adnans Seekarte zum Autonomen Kreis der Nenzen.
Sie war eine fast ebenmäßig runde Scheibe aus Marschland, Sümpfen und
niedrigen Hügeln mit achtzig Kilometern Durchmesser. An der Südostküste lag
eine einsame Siedlung namens Bulgrino; dort lebten einige Hundert Nenzen von
Fischfang, Ackerbau und Rentierhaltung.
Adnan
schob den Gashebel auf Leerlauf und schaltete die Zündung aus. Er sah auf die
Uhr: zehn Minuten Verspätung. Er zog den Handscheinwerfer aus der Halterung
am Schott und ging an Deck. Sein codiertes Blinksignal löste an der Küste
sofort die korrekte Antwort aus.
Fünf
Minuten später hörte er das leise Brummen eines Außenbordmotors. Ein Rennboot
erschien aus der Dunkelheit und ging an Backbord längsseits. An Bord waren
vier Männer, alle mit Kalaschnikows bewaffnet. Adnan kannte keinen von ihnen.
Daraufkam es allerdings nicht an; wichtig war das Blinksignal, und wenn es doch
eine Falle war, dann konnte er jetzt nichts mehr dagegen tun.
»Bist du
Abdul-Baki, Diener des Schöpfers?«, fragte einer der Männer; Adnan nahm an, er
sei der Anführer.
»Nein, der
Diener des Ewigwährenden«, entgegnete Adnan. »Schön, euch hier zu sehen.«
»Dich
auch, Bruder.«
»Werft mir
eure Leine zu, und kommt an Bord. Ihr braucht mindestens zwei Mann, um es zu
tragen.«
Während
Adnan die Leine an der Klampe festmachte, stiegen zwei der Männer an Bord,
lösten die Verspannung des Sicherheitsbehälters und trugen ihn zurück zur
Reling, wo die beiden, die an Bord des Rennbootes geblieben waren, ihn
übernahmen und auf Deck absetzten. Die beiden anderen folgten dem Behälter auf
das Rennboot.
»Irgendwelche
Probleme?«, fragte der Anführer.
»Keine.
Alles lief wie geplant.«
»Können
wir dir noch irgendwie helfen?«
Adnan
schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich bin fast fertig. Das Wasser hier ist
tief, fast dreihundert Meter. Das Meer übernimmt jetzt den Rest.«
Admiral
Stephen Netters wusste, dass er eine unangenehme Unterredung vor sich hatte,
und das hatte ebenso mit den Leuten zu tun, die nicht daran teilnahmen, wie
auch mit denen, die teilnahmen. Wenn alles richtig gelaufen wäre, hätte ihm am
anderen Ende des Tisches Robby Jackson gegenübersitzen müssen, aber dem war
nicht so. Dafür hatte ein hasserfüllter Stiernacken gesorgt. Statt Jackson
hatten sie es nun mit Edward Kealty zu tun. Der falsche Mann, egal an welchem
Platz. Netters und Jackson waren zusammen aufgestiegen seit ihrer gemeinsamen
Ausbildung an der Marineakademie. Im Laufe ihrer Karrieren hatten sich ihre
Wege immer wieder gekreuzt, bis Netters in der letzten Phase der
Präsidentschaft Ryans zum Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs ernannt
worden war. Er hatte den Job aus verschiedenen Gründen übernommen, wobei Ehrgeiz
ganz weit unten gestanden hatte und Hochachtung für Ryan ganz oben.
Allerdings
war es ihm später schwergefallen, im Amt zu bleiben, vor allem, als klar wurde,
dass Kealty das Oval Office nicht aufgrund seiner Fähigkeiten oder Verdienste,
sondern durch die Blindheit des Schicksals oder, besser gesagt, als Profiteur
einer Tragödie erobern würde. Aber noch während die Stimmen ausgezählt wurden
und sich in den
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