Clancy, Tom
entriegelt, den fassförmigen Behälter an seinen vier
angeschweißten Handgriffen herausgehoben und ihn aus dem Panzerschrank und
über das überschwemmte Deck zur Leiter geschleppt, die sie sehr vorsichtig,
immer nur eine Stufe auf einmal, hinaufgestiegen waren. Dann ging es den
Laufsteg entlang und in den Hauptkorridor zurück; die beiden letzten größeren
Hindernisse - der Niedergang hinauf zum Oberdeck und die Zugangsleiter wieder
hinunter zu den Schlauchbooten — waren kein Problem gewesen, und bald waren
sie wieder an Land. Dankbar warfen sie ihre Schutzanzüge und die Gasmasken ab
und versenkten sie in einem der Rucksäcke mit Steinen beschwert in der Bucht.
Der Weg
zurück zum Vorland dauerte eine Stunde. Adnan sagte den Männern, sie sollten
das Fass hinstellen und sich ausruhen, dann ging er zum Ufer voraus und spähte
durch den Nebel in die Bucht. Er konnte den Umriss von Salychows Boot gerade
noch erkennen. Er zog ein Leuchtsignal aus seinem Rucksack, riss es an und
schwenkte die Funken sprühende Röhre über seinem Kopf. Nach dreißig Sekunden
sah er das zweimalige Aufleuchten einer Taschenlampe vom Schiff her. Adnan
wandte sich zu den anderen um und winkte ihnen weiterzumarschieren.
Dreißig
Minuten später waren sie wieder an Bord und auf dem Rückweg. Bis sie die
Hauptbucht erreicht hatten, war der Sicherheitsbehälter bereits in dem
zweiten, stärker abgeschirmten verstaut worden, den sie mitgebracht hatten.
Salychow beäugte den Behälter misstrauisch, sagte aber nichts, als er das
Schiff wieder aufs offene Meer hinaussteuerte.
Jetzt
stand Adnan neben Salychow im Steuerhaus. Es war fast Mitternacht, und vor den
Fenstern sah man nur Schwärze. »Sie haben sich Ihren Lohn redlich verdient,
Kapitän«, sagte Adnan. »Wir sind Ihnen dankbar.«
Salychow
zuckte mit den Schultern und schwieg.
An seiner
Hüfte spürte Adnan die rechteckige Kante des Funkgeräts, das aus der
Steuerkonsole herausragte. Er zog langsam das kleine Messer aus seiner Jackentasche,
klappte die Klinge auf und drückte sie gegen das Stromkabel des Funkgeräts. Es
wurde mit einem kaum hörbaren Schnipp durchtrennt.
»Ich sehe
mal nach meinen Leuten«, erklärte Adnan. »Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee
mitbringen? Oder etwas Stärkeres?«
»Kaffee.«
Adnan
stieg in die Hauptkajüte hinunter, dann einen weiteren kurzen Niedergang in die
Schlafkabine. Dort war es dunkel, bis auf einen schwachen Lichtschein, der aus
der Kajüte herunterdrang. Die Männer schliefen, jeder in seiner Koje, alle auf
dem Rücken. Das Medikament, das er ihnen vorhin gegeben hatte, war keine
weitere Dosis Kaliumjodid gewesen, wie er behauptet hatte, sondern drei Gramm
Lorazepam in einer generischen Zellulosekapsel. Das Mittel gegen Angstattacken
war in dreifacher Dosierung stark genug, um die Männer in einen tiefen Schlaf
zu versetzen. Ein Segen, dachte
Adnan.
In den
letzten Stunden hatte er darüber gegrübelt, was als Nächstes zu tun war - nicht
über die Notwendigkeit, sondern über die Methode. Diese Männer starben
bereits, aber das war nicht mehr zu ändern. Er selbst war ein Sterbender, aber
auch das war nicht mehr zu ändern. Dieses Opfer forderte der Krieg, es war die
den Gläubigen auferlegte Bürde. Er tröstete sich ein wenig damit, dass sie ja
nicht aufwachen und keine Schmerzen spüren würden. Es ging also nur um den
Lärm. Salychow war zwar alt, aber zäh und von einem Leben auf See gestählt. Man
überwältigte ihn besser ohne jede Vorwarnung.
Adnan ging
zur Werkbank am Achterschott und zog die obere linke Schublade auf. Darin lag
das Messer, das er bei seiner Suche vorhin gefunden hatte. Es hatte eine
gekrümmte, scharfe Spitze und war gut geschliffen. Vermutlich war es zum
Ausnehmen von Fischen gedacht.
Er
umklammerte den hölzernen Griff, die Klinge nach oben, und trat an die erste
Koje. Er holte tief Luft, dann legte er seine linke Hand ans Kinn des Mannes,
drehte den Kopf zur Matratze, rammte die Spitze der Klinge in die Höhlung unter
seinem Ohrläppchen und zog das Messer um den Unterkiefer herum nach oben. Blut
spritzte aus der durchtrennten Halsschlagader; im Dunkeln wirkte es schwarz.
Der Mann stöhnte leise in Adnans Handfläche, zuckte einmal, zweimal, dann lag
er still. Adnan ging weiter zum zweiten, wiederholte den Vorgang, dann zum
dritten. Das Ganze dauerte neunzig Sekunden. Er ließ das Messer zu Boden
fallen, ging in die Kajüte hinauf und wusch sich das Blut von den Händen. Er
kniete sich neben das
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